Inland
Sami A.: Wie die Richter ausgetrickst wurden
Die NRW-Landesregierung hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wohl gezielt in die Irre geführt, um die rechtswidrige Abschiebung des Tunesiers Sami A. durchführen zu können.
von
Christian Rath
· 18. Juli 2018
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picture alliance / Geisler-Fotop
Vor langer Zeit soll Sami A. Teil der Leibgarde von Al-Qaida-Führer Ossama bin Laden gewesen sein. Er gilt als islamistischer Gefährder, als Hassprediger, dem Sicherheitsbehörden schwere Straftaten zutrauen. Seiner Abschiebung stand bisher entgegen, dass ihm in Tunesien Folter droht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge widerrief aber Ende Juni diess Abschiebungshindernis, wogegen Sami A.s Anwältin Seda Basay beim Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen) klagte. Das VG entschied am Donnerstag abend, dass die Abschiebung weiterhin nicht zulässig ist, stellte den Beschluss aber erst am Freitag früh per Fax zu - als Sami A. schon im Flugzeug nach Tunesien saß.
Unvollständige Information
Es spricht viel dafür, dass das Land NRW die Richter gezielt unvollständig informiert hat, um eine rechtzeitige Intervention zu verhindern. Verantwortlich ist NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP).
Bereits 2014 hatten die Richter einen ähnlichen Widerrufsbeschluss des BAMF kassiert. Deshalb bestand wohl die Befürchtung, dass die Richter auch diesmal nicht mitmachen. Und so kames dann ja auch - aber eben zu spät.
Bereits 2014 hatten die Richter einen ähnlichen Widerrufsbeschluss des BAMF kassiert. Deshalb bestand wohl die Befürchtung, dass die Richter auch diesmal nicht mitmachen. Und so kames dann ja auch - aber eben zu spät.
Das Gericht war sehr daran interessiert, dass sein Beschluss rechtzeitig erfolgt. Als es in den Akten den Hinweis auf einen Abschiebungstermin am Donnerstag abend fand, fragte es am Mittwoch beim BAMF als beklagter Prozesspartei nach. Daraufhin informierte sich das BAMF beim NRW-Flüchtlingsministerium, das für die Abschiebung zuständig ist, und erhielt die (korrekte) Auskunft, dass der Donnerstag-Flugtermin
storniert worden sei. Dass das Land zugleich bei der Bundespolizei um einen Einzel-Charterflug für Freitagmorgen gebeten hatte, verschwieg das Land dem BAMF. Deshalb konnte das BAMF dem Gericht den eigentlich geplanten Abschiebetermin auch nicht mitteilen, so dass sich das VG Zeit ließ; zuviel Zeit. Im Ergebnis war die Täuschung der Richter also gelungen.
Wer trägt die Verantwortung?
Der Vorgang macht zweierlei deutlich: Das Land wusste spätestens durch die BAMF-Nachfrage, dass es noch ein Verfahren beim VG Gelsenkirchen gab, von dem die Rechtmäßigkeit der Abschiebung abhängt. Außerdem wusste das Land, dass das Verwaltungsgericht Wert darauf legte, vor der Abschiebung zu entscheiden. Dennoch wurde die Abschiebung am Freitag früh durchgezogen. Der verantwortliche Minister Joachim Stamp veröffentlichte anschließend die treuherzige Pressemitteilung, der negative Beschluss des Verwaltungsgerichts „lag dem Ministerium zu diesem Zeitpunkt nicht vor“. Dies wiederholte er auch am Montag bei einer Pressekonferenz.
Steckte Horst Seehofer hinter diesem Manöver? Das Bundesinnenministerium betonte am Montag: „Es gab keinerlei Einflussnahmen auf irgendeinen Verfahrensschritt.“ Stamp hätte entsprechende Vorschläge auch jederzeit ablehnen können. Sein Haus trägt rechtlich die Verantwortung für Termin und Durchführung der Abschiebung.