Sachsen-Anhalt: Kommt es zu einem Bündnis von CDU und AfD?
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Es waren nur neun Seiten, doch die hatten es in sich. Nach der Europa- und Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt im Juni 2019 veröffentlichten Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer eine „Denkschrift“. Versehen zwar mit dem Hinweis „Nur zur internen Diskussion!“, doch das Papier ist bis heute frei im Internet zugänglich. Ein Satz sorgte für besonders viel Aufsehen: „Es muss wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“, fordern Thomas und Zimmer auf Seite acht.
Die CDU in Sachsen-Anhalt zeigt zwei Gesichter
Wären die beiden reine Basis-Mitglieder, wäre die Empörung vielleicht schnell verhalt. Doch beide sitzen für die CDU im Landtag, beide sind stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Bei der Wahl am Sonntag stehen sie auf Platz 3 und 4 der Landesliste. Wie hält es die CDU in Sachsen-Anhalt mit der AfD? Über diese Frage wird bereits seit der Landtagswahl 2016 heiß diskutiert als die Rechtspopulist*innen mit mehr als 24 Prozent der Stimmen auf Platz zwei landeten und sich CDU, SPD und Grüne zu einer „Kenia“-Koalition zusammenraufen mussten.
Schon damals gab es in der CDU Stimmen, die eine Zusammenarbeit mit der AfD befürworteten. Dass Rainer Haseloff bei seiner Wahl zum Ministerpräsidenten drei Stimmen weniger erhielt als „Kenia“ Mandate hat, wurde auch mit seiner klaren Haltung gegen ein solches Bündnis erklärt. „Die CDU in Sachsen-Anhalt zeigt in dieser Frage zwei Gesichter“, sagt die Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin der SPD, Katja Pähle. „Ministerpräsident Rainer Haseloff steht ganz klar und hat für den Erhalt der Kenia-Koalition im vergangenen Jahr sogar seinen Innenminister entlassen.“ Gleichzeit gebe es Politiker wie Zimmer und Thomas, die offen mit der AfD flirteten.
„Die AfD gehört ja nun mal mit dazu.“
So war es auch letzterer, der im Februar 2020 nach der Wahl des FDP-Manns Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten durch FDP, CDU und AfD öffentlich über eine von der AfD tolerierte Minderheitsregierung der CDU nachdachte. Unterstützung gab es damals u.a. von Britta Klobe, Mitglied der Frauen Union in Sachsen-Anhalt: „Die AfD gehört ja nun mal mit dazu, weil die wurde ja von den Bürgern und gerade aus der Basis her gewählt“, sagte sie dem ZDF.
In Sachsen-Anhalt gibt es wie im Bund einen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt. Auf diesen verweisen Ministerpräsident Haseloff und Parteichef Sven Schulze auch stets, wenn sie auf mögliche Koalitionsabsichten nach der Wahl angesprochen werden. Allerdings hielt der Beschluss im August 2017 weite Teile der CDU-Fraktion nicht davon ab, gemeinsam mit der AfD-Fraktion eine Enquete-Kommission zur Untersuchung von Linksextremismus einzurichten. Konsequenzen gab es bei der CDU damals keine.
Ministerpräsident Haseloff ändert seine Rhetorik
Und im Dezember vergangenen Jahres weigerte sich die Unionsfraktion, der bundesweiten Erhöhung der Rundfunkgebühren zuzustimmen, genauso wie die Fraktion der AfD. Die Kenia-Koalition drohte damals zu zerbrechen. Ministerpräsident Haseloff entließ seinen Innenminister Holger Stahlknecht, der daraufhin auch als CDU-Chef zurücktrat. In einem Interview hatte Stahlknecht die Bildung einer CDU-Minderheitsregierung ins Spiel gebracht. Diese hätte dann von der AfD toleriert werden müssen.
Doch auch Haseloff selbst änderte in den vergangenen Jahren seine Rhetorik in Richtung AfD. Bereits 2017 empfing der den ungarischen Ministerpräsidenten und AfD-Idol Victor Orbán in Sachsen-Anhalt. In der Corona-Pandemie lehnte Haseloff Bußgelder für Maskenverweiger*innen ab und kritisierte, die „Bundesnotbremse“ spiele nur der AfD in die Hände.
„Wer sichergehen will, muss SPD wählen.“
Ob es nach der Wahl zu einer Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD in Sachsen-Anhalt kommt, wird wohl vor allem vom Wahlergebnis abhängen. Dass beide zusammen eine komfortable Mehrheit hätten, gilt als sicher. Sollte die AfD vor der CDU liegen, wie vor kurzem eine Umfrage vorhersagte, dürfte ein Bündnis schnell vom Tisch sein. Liegt die CDU vorn, könnte es zumindest heftigere Diskussion geben, je nachdem, wie groß die Verluste der Union im Vergleich zu 2016 sind.
„Es gab in den letzten fünf Jahren immer wieder Momenten, in denen Abgeordnete der CDU nach rechts geblinkt haben“, sagt Katja Pähle. Wie sie sich letztlich entscheiden würden, sei schwer vorherzusagen, meint die SPD-Spitzenkandidatin. „Wer sichergehen will, dass die AfD nicht an der Landesregierung beteiligt wird, muss deshalb SPD wählen.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.