Inland

Rolf Mützenich: „Es kommt auf Vertrauen und Respekt an“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich will bei Klimaschutz, Wohnen und Grundrente vorankommen. Er fordert gesellschaftspolitischen Widerstand gegen Rechts. Welche Eigenschaften die künftige Parteispitze mitbringen muss, erklärt er im Interview.
von Karin Nink · 8. Juli 2019
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Was sind die wichtigsten Themen, die nach der Sommerpause im Bundestag angegangen und bis zum Winter ­beschlossen werden müssen?
Wir wollen das Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen. Im Koalitionsausschuss haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass die lange Zeit von der Union blockierten Gesetze zu Mieten und Wohnen wieder beraten werden können. Das sind wichtige Punkte. Zugleich werden die Verhandlungen über die Grundrente das beherrschende Thema  der nächsten Monate sein. Wir müssen hier endlich vorankommen.

Was ist wichtig für eine gute sozial­demokratische Halbzeitbilanz?
Die Revisionsklausel, die wir im Koalitionsvertrag niedergelegt haben, war nie nur dazu gedacht, eine Summe von Ergebnissen aus den fast zwei Jahren Koalitionsregierung zu ziehen. Zugleich war sie als Instrument gedacht, sich darüber zu verständigen, welche Themen wichtig für unser Land sind. Für uns geht es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und neben den zuvor erwähnten Bereichen steht bei mir an erster Stelle die Digitalisierung der Arbeitswelt. Hier stehen wir eng an der Seite der Beschäftigten und Gewerkschaften.

In welcher Verfassung sehen Sie die SPD jetzt?
Durch die Regionalkonferenzen haben wir die große Chance, sowohl Kandidatinnen und Kandidaten als auch Themen der SPD zusammen zu bringen. Wenn dieser Wettbewerb fair und offen stattfindet, kann die SPD als Mitgliederpartei deutlich gestärkt werden. Daran werden wir in der Öffentlichkeit gemessen werden.

Welche Eigenschaften muss die künftige Parteispitze mitbringen, damit sie die SPD aus ihrem Tief führen kann?
Zu begeistern und die große Stärke der Mitgliederpartei noch deutlicher in den Fokus zu rücken. Vor allem müssen dabei die Potenziale, die wir in den Kommunen haben, stärker zur Geltung kommen. Denn eine starke kommunale Partei ist am Ende auch eine starke Partei auf Bundesebene.

Das heißt ein Kommunalpolitiker in der Parteispitze?
Das muss nicht unbedingt mit einer Funktion verbunden sein. Ich wünsche mir einfach, dass wir gerade die jungen Talente, die wir in jüngster Zeit in kommunalpolitische Verantwortung gebracht haben und die vor Ort überzeugen, auch auf Bundesebene einbeziehen sollten.

Wie soll künftig eine gute und effiziente Zusammenarbeit zwischen Partei und Fraktion aussehen?
Es kommt nicht alleine auf Strukturen an, sondern auch auf Vertrauen und auf Respekt. Beide, sowohl die Partei als auch die Fraktion, haben unterschiedliche Aufgaben. Ich bin ganz zuversichtlich, dass alle 152 Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion große Kompetenz und Fachlichkeit sowie Integrität einbringen, und auf der anderen Seite eine starke Verankerung in ihrer regionalen Partei und im Wahlkreis haben. Daher glaube ich, dass es gut funktionieren wird. Wir haben als Fraktion gesagt, dass wir Ende September unsere Führungsmannschaft in Berlin wählen wollen. Das ist ein richtiger Weg.

Vertreter aller Flügel der ­Fraktion würden es begrüßen, wenn Sie ­Fraktionschef blieben. Ist das für Sie vorstellbar?
Wir haben jetzt den Fahrplan und ausreichend Zeit, um zu beraten, welche Wünsche die Abgeordneten haben, wo sie Schwachstellen sehen, wo sie die Kompetenzen des Einzelnen gestärkt sehen wollen. Was sich im Ergebnis dann daraus ergibt, werde ich der Fraktion vorstellen. Das werden zuerst die Gremien hören.

Nach der Ermordung von Walter ­Lübcke durch einen Rechtsextremisten wurde die zunehmende Bedrohung von Politikern und gerade von Kommunalpolitikern sehr öffentlich. Wie müssen wir damit umgehen?
Wir müssen uns vergegenwärtigen, wie massiv die Bedrohungen gegenüber Repräsentantinnen und Repräsentanten sowohl das Staates, aber auch der Wirtschaft, von Nichtregierungsorganisationen oder sogar von Gewerkschaften sind. Die Ermordung Lübckes hat diese Bedrohung sehr stark und sehr brutal offengelegt. Zuallererst ist es die Aufgabe der Sicherheitsbehörden, auf diese Bedrohungslagen in konkreten Fällen zu reagieren und sie abzuwehren. Entscheidend wird genauso sein, ob die Gesellschaft zeigt, dass sie diese Bedrohungen nicht mehr akzeptieren will. Ein gesellschaftspolitischer Widerstand und Empörung über die vielen Ereignisse ist aus meiner Sicht ein zusätzlicher Schutz für die Betroffenen.

Beim G20-Gipfel konnte die Welt ­beobachten, wie autokratische ­Herrscher plus Donald Trump die ­Bühne bestimmt haben. Welche ­Konsequenzen hat das für die multilaterale ­Zusammenarbeit?
Es ist schon verwirrend, wenn der sogenannte Führer der westlichen Welt seine besten Freunde in den autokratischen Herrscherfamilien findet oder in denjenigen, die über einen langen Zeitraum autoritäre Herrschaftsstrukturen weiter verfestigen. Das hat auch eine Konsequenz für Europa. Wir werden uns nicht mehr auf die USA grundsätzlich verlassen können. Eine Konsequenz ist, dass wir gucken müssen, mit welchen Ländern wir auch außerhalb Europas zusammenarbeiten – und mit denjenigen, die sich in Europa noch zu gemeinsamem Handeln befähigt fühlen. Der G20-Gipfel zeigt, dass Trump die USA in einer anderen geopolitischen Rolle sieht. Allein die Durchsetzung eigener Interessen zählt. Europa muss sich von daher in dem erforderlichen Maße von den USA abkoppeln.

Die andere geopolitische Verantwortung ist der asiatische Pazifikraum?
In der Tat: Der Handelsstreit zwischen der Volksrepublik China und den USA ist nicht ein Streit über die Besteuerung von Waren oder ein Frage von Einfuhrzöllen, sondern mittlerweile auch ein Teil des Streits um den geopolitischen Einfluss in einer zentralen Region der Weltwirtschaft.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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