Inland

Risse im Untergrund

von Peter H. Niederelz · 7. Mai 2013

Am Mittwoch will das Bundeskabinett über die Zulassung von Fracking beraten. Naturschutzverbände warnen vor den unabsehbaren Folgen des umstrittenen Förderverfahrens. Zwei Drittel der Deutschen lehnen seine Einführung ab. Eine Analyse.

Es hört sich zunächst gut an, wenn es heißt, dass die USA demnächst durch die Förderung gewaltiger Schiefergasvorkommen mithilfe von Fracking ihre Energieselbstständigkeit zurück gewinnen könnten. Da Deutschland noch abhängiger von Energieimporten ist als die USA, wäre es verlockend, wenn bei uns auch viel Schiefergas gefunden und gefördert werden könnte. Doch die Risiken sind kaum vorherzusehen.

Im Mai 2012 hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in einer umfangreichen Studie ihre Abschätzung des Erdgaspotentials aus dichten Tongesteinen (Schiefergas) in Deutschland vorgelegt. Sie kommt dabei zu dem Ergebnis, dass alles in allem Schiefergas-Ressourcen in der Größenordnung von 1,3 Billionen Kubikmeter tief im Untergrund unter Deutschland liegen. Das ist deutlich mehr als die festgestellten konventionellen Erdgasressourcen und die künstlich gehaltene Erdgasreserve mit insgesamt 0,3 Billionen Kubikmeter.

Jährlich verbrauchen wir in Deutschland rund 97 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Davon wurden 2010 87 Prozent importiert. Mithilfe von Schiefergas ließe sich der Bedarf also theoretisch für rund 13 Jahre decken. Beim Primärenergieverbrauch in Deutschland lag 2011 das Erdgas mit 20,4 Prozent hinter dem Mineralöl an zweiter Stelle, gefolgt von Steinkohle (12,6 Prozent) und Braunkohle (11,7 Prozent). Erdgas ist also bei uns ein sehr wichtiger Energielieferant. Um von Importen unabhängiger zu werden und um den Preisanstieg zu stoppen, könnte Schiefergas eine Option sein.

Grundwasser in Gefahr

Aber wie groß sind die Risiken? Im November 2012 hat das Bundesumweltministerium eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA) zu den „Umweltauswirkungen von Fracking“ herausgegeben. Zuvor hatte in der Öffentlichkeit die intensive Debatte über die Erkundung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten und das dabei zum Einsatz kommende Verfahren des „Hydraulic Fracturing (kurz: Fracking) begonnen.

Das UBA kommt zu einer erheblich skeptischeren Einschätzung als die BGR. Im Gutachten wird festgestellt, dass sich die bei der Erzeugung und Offenhaltung der unterirdischen Risse im Schiefergestein mithilfe der Frack-Flüssigkeiten ein hohes Gefährdungspotential entstehen kann.

Selbst wenn dem Frack-Fluid keine chemisch-biologischen Stoffe zugesetzt werden, bestehe die Gefahr, dass das Grundwasserverschmutzt werde - und das, obwohl die Schiefergas-Lagerstätten weit unterhalb des Grundwasserspiegels liegen.

Zur Erklärung: Beim Fracking werden am untersten Punkt der Bohrung Sprengungen durchgeführt. Danach wird unter hohem Druck das Fracking-Fluid in das Gestein gepresst, aus dem dann Gas strömen kann. Pro Bohrloch werden dafür Millionen Liter Wasser benötigt.

Erkundung nur unter strengen Auflagen

Viele Risikoaspekte des Frackings sind noch längst nicht hinreichend erforscht. Daher kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein weiteres Erkunden und Bewerten nur unter strengen Auflagen erfolgen.

Bergrechtliche Fördergenehmigungen sind überhaupt nur nach umfassender Umweltverträglichkeitsprüfung mit Beteiligung der Öffentlichkeit denkbar.

Und klar ist: Mithilfe dieser aufwändigen Fördermethode kann kein preiswertes Erdgas gefördert werden. Schiefergas-Fracking ist nach gegenwärtigem Wissensstand  kein belastbarer Hoffnungsfaktor für die sichere und preiswerte Energieversorgung der 82 Millionen Menschen in Deutschland.

Eine Überlegung sollte es allerdings wert sein, die unterirdischen Vorkommen und umweltverträgliche Förderverfahren weiter von unabhängigen Stellen erkunden zu lassen, um sie aus Gründen der Energiesicherheit für hoffentlich nicht eintretende Notfälle bereitzuhalten.

Autor*in
Peter H. Niederelz

ist Ministerialrat und Publizist.

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