Das Bundesverfassungsgericht verhandelte über den Staatseinfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Viel wichtiger sind aber zwei politische "Freundeskreise" in den Aufsichtsgremien des ZDF.
Ist das ZDF eine Beute der Regierungen und Parteien? Das untersuchte am Dienstag das Bundesverfassungsgericht. Die Richter werden wohl Änderungen am ZDF-Staatsvertrag fordern - auch wenn die Probleme anders lagen als weithin erwartet.
Geklagt hatten die Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg, die glauben, dass in den Aufsichtsgremien des ZDF zuviele Vertreter von Regierungen, Parlamenten und Parteien sitzen. Anlass der Klage war die Nicht-Verlängerung des Vertrags von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender 2009, der dem CDU-Lager wohl zu eigensinnig war.
Konkret ging es in Karlsruhe um zwei Gremien, den ZDF-Fernsehrat, der über das Programm wacht und den ZDF-Verwaltungsrat, der den Intendanten beaufsichtigt, vor allem in finanziellen Fragen. Die Gremien sollen den Einfluss der Gesellschaft auf das ZDF sichern. Doch liegt in beiden Gremien der Anteil der staatsnahen Vertreter bei knapp der Hälfte. Damit können viele wichtige Entscheidungen blockiert werden, für die eine 60-Prozent-Mehrheit erforderlich ist. "Das ist keine Staatsferne mehr", sagte die Mainzer Staatssekretärin Jacqueline Kraege (SPD), "der ZDF-Staatsvertrag ist deshalb verfassungswidrig."
ZDF-Intendendant Thomas Bellut unterstützte die Klage nicht. "Die Unabhängigkeit des ZDF-Programms ist gewahrt", sagte er in Karlsruhe. Die meisten Entscheidungen im ZDF fielen, so Bellut, ohne jede Beteiligung der Aufsichtsgremien. "Die meisten Beschlüsse fallen auch einstimmig", ergänzte ZDF-Jusiziar Peter Weber. "Und wenn es Konflikte gibt, dann werden die Länder und Parteien wohl kaum einheitlich abstimmen, gegen den Rest des Fernsehrats", argumentierte Rechtsprofessor Christian von Coelln, der Bayern und andere Länder vertrat.
Das bestritten die Kläger auch gar nicht. "Uns geht es um Risikovorsorge für den worst case", sagte ihr Rechtvertreter Wolfgang Schulz, "falls doch jemand der Versuchung nicht widerstehen kann, Einfluss zu nehmen." Konkrete Beispiele nannte er nicht.
Die Verfassungsrichter sind trotzdem gewillt, der Klage zu folgen und die staatsnahen Kräfte zu beschränken. Johannes Masing, der federführende Richter, stellte eine Obergrenze von einem Drittel zur Diskussion. Sein Vorbild ist das Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk, bei dem diese Grenze schon seit 1984 gilt.
Das eigentlich relevante Phänomen beim ZDF sind aber die so genannten Freundeskreise, wie sich in der Karlsruher Verhandlung zeigte. In zwei Fraktionen werden alle relevanten Gremienentscheidungen vorberaten. Der konservative Freundeskreis wird koordiniert von Franz-Josef Jung (CDU), dem Ex-Verteidigungsminister. Der linke Freundeskreis wird von Ex-Familienministerin Christine Bergmann (SPD) gemanagt. Neben Regierungs- und Parteivertretern gehen auch fast alle gesellschaftlichen Vertreter zu einem der beiden Freundeskreise. Der Jung-Kreis ist mit 43 von 77 Mitgliedern des Fernsehrats der größere. An ihm nimmt auch Intendant Bellut teil.
"Die Diskussion in den Gremien kann die vorher festgelegten Positionen nicht mehr verändern", kritisierte Kurt Beck, Ex-SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats. Auch werden in den Freundeskreisen wohl viele Posten vergeben - in den ZDF-Aufsichtsgremien, aber wohl auch Positionen im Sender selbst.
Rechtlich problematisch sind die Freundeskreise aber nur, wenn die staats-nahen Vertreter sie für ihre Zwecke steuern können. Mehrere Verbandsvertreter vom Beamtenbund bis zur Gewerkschaft ver.di verwahrten sich gegen die Vorstellung, sie ließen sich von den Parteivertretern eine Meinung vorgeben. Günther Hennecke vom Landkreistag nennt ein Beispiel: "2002 zettelte CSU-Generalsekretär Söder eine Diskussion um die angeblich wahlentscheidende ZDF-Hochwasser-Berichterstattung an. Da haben ich und andere im Jung-Kreis schnell deutlich gemacht, dass wir uns für so etwas nicht instrumentalisieren lassen." Das Verfassungsgericht wird die Freundeskreise wohl kaum verbieten.
Allerdings werden die Richter den Staatseinfluss bei der Auswahl der gesellschaftlichen Vertreter reduzieren, um die Vielfalt in den Gremien zu stärken. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.
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