Rentenreform: Wahlkampf-Politik zulasten der Jugend
Ute Grabowsky/photothek.net
Das Wahlkampfthema 2017 lautet: Rente. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat bereits angekündigt, die „Talfahrt“ bei den Renten zu stoppen und die „Haltelinie“ beim Rentenniveau wieder hochzuschrauben. Das wird ein teures Wahlgeschenk auf Kosten der Jungen, das sozialer klingt als es ist.
Rentenpolitik auf Kosten der Jugend!?
Dabei wurden bereits in den letzten beiden Wahlkämpfen die Rentner als Zielgruppe verwöhnt. Nach der Bundestagswahl 2013 verabschiedete die Merkel-Regierung im Hauruck-Verfahren außerplanmäßige Rentenerhöhungen für die heutigen Rentner, die bis zum Jahr 2030 summiert mindestens 160 Milliarden Euro kosten werden, wahrscheinlich eher deutlich über 200 Milliarden Euro. Das ist viel Geld, das an anderer Stelle fehlt – bei der Jugend zum Beispiel: Das ursprünglich geplante Kita-Qualitätsoffensive wurde auf Eis gelegt, den Schulen fehlen 34 Milliarden für Sanierungen, und Deutschland spart bei den Studierenden.
Im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 führte die Merkel-Regierung die Rentengarantie ein. Seither dürfen die Renten gesetzlich vorgeschrieben nicht mehr sinken, selbst wenn die Löhne sinken. Auf die Idee einer Lohngarantie für junge Arbeitnehmer ist die Merkel-Regierung natürlich nie gekommen.
Ohne Rentner kein Wahlsieg
Jeder dritte Wähler ist über 60, und jedes zweite Parteimitglied von CDU/CSU und SPD ist über 60. Dieses demografische Ungleichgewicht bleibt nicht ohne Folgen für die Demokratie. Ohne die Alten lässt sich in Deutschland keine Wahl mehr gewinnen – nicht erst in ferner Zukunft, sondern hier und heute.
Dabei soll das hehre Versprechen, die Altersarmut zu bekämpfen, wohl auch genau das bleiben: ein hehres Versprechen. Denn die angekündigte Stabilisierung des Rentenniveaus ist wirkungslos im Kampf gegen Altersarmut. Denn diejenigen, die bereits eine gute Rente haben, würden weit stärker profitieren als diejenigen, die nur eine karge Rente beziehen. Eine Stabilisierung des Rentenniveaus hilft bei einer niedrigen Rente eben wenig. Die einen, die schon gut versorgt sind, bekommen noch mehr, während die anderen, die eigentlich am meisten Unterstützung bräuchten, fast leer ausgehen.
Festgeschriebenes Rentenniveau - ein teures Versprechen
Diese Symbolpolitik ginge zulasten der Jungen. Nach Berechnungen des Prognos-Instituts für den Spiegel würden Mehrkosten von summiert fast 600 Milliarden Euro von 2016 bis 2040 entstehen, wenn das derzeitige Rentenniveau festgeschrieben würde. Der Beitragssatz würde auf über 26 Prozent steigen. Nimmt man noch die Ausgaben für Gesundheit und Pflege hinzu, die in einer alternden Gesellschaft ebenfalls zwangsläufig steigen, werden die Beiträge zu den Sozialversicherungen auf deutlich über 50 Prozent klettern, wie der Wissenschaftliche Beirat des SPD-geführten Bundeswirtschaftsministeriums kürzlich berechnete.
Das ist ziemlich viel Geld, das an anderer Stelle besser angelegt wäre: bei einer Verbesserung der Erwerbsminderungsrenten, einer Erhöhung des Budgets für Reha-Leistungen, oder bei der Aufstockung von niedrigen Löhnen bei der Rentenberechnung. All das wäre wesentlich wirksamer im Kampf gegen Altersarmut als ein Einfrieren des Rentenniveaus, bei deutlich geringeren Kosten.
Altersarmut schlägt Kinderarmut
Das gesparte Geld könnte man investieren: in die junge Generation. Kinderarmut ist heute fünfmal so hoch wie Altersarmut. Derzeit sind 14,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen auf Hartz IV angewiesen – mehr als noch vor fünf Jahren. Genau hier müsste die Sozialpolitik ansetzen: Denn die armen Kinder von heute sind die armen Rentner von morgen. Man könnte die Kitas für alle kostenfrei machen, die Erzieherinnen und Erzieher qualifizieren und anständig bezahlen.
Doch Kinderarmut war noch nie Wahlkampfthema. Es gibt Talkshows zu Altersarmut, aber nicht zu Kinderarmut. Es gibt eine gesetzliche Rentengarantie, aber keine Kindergeldgarantie. Es gibt Rentenpakete, aber keine Kinderhilfepakete. Jeder Euro kann nur einmal verteilt werden. Und zurzeit fließt das Geld vor allem die Alten.
Oft heißt es in der Rentendebatte: Man dürfe Alt und Jung nicht gegeneinander ausspielen. Das Problem: Alt und Jung werden ausgespielt. Nur: Dieses Spiel geht zulasten der Jungen.
ist Sozialwissenschaftler, Lobbyist für die Belange der jungen Generation und Autor („Aufstand der Jungen“, „Alte Säcke Politik“). Seit 2015 ist er Referent für Digitale Transformation beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW).