Die EU-Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt der Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 2020 von derzeit 16 auf 20 Prozent zu erhöhen. Die schon als Auslaufmodell angesehene Industrie erlebt eine Renaissance. Am Donnerstag fand in der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Podiumsdiskussion zum Thema „Moderne Industriepolitik für Europa“ statt.
„Industrie ist sonntags in aller Munde“, merkt Kurt Beck, der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung, in seiner Begrüßung zur Podiumsdiskussion an. Mit dieser Aussage spielt er darauf an, dass man heutzutage an allen Orten und zu jeder Zeit vom Thema Industrie umgeben ist, viele sich dieser Tatsache jedoch nicht immer bewusst sind.
Viele Jahre über habe man in der Wirtschaftspolitik verstärkt auf Dienstleistungen gesetzt, nun sei jedoch eine Reindustrialisierung zu beobachten, so Beck. Die Industriepolitik müsse von verschiedenen Seiten betrachtet werden, nicht ausschließlich von einer wirtschaftlichen, sondern auch aus gesellschaftlichen, politischen und sozialen Blickwinkeln.
Der Hauptgeschäftsführer des BDI Markus Kerber tritt dem Vorwurf an die Industrie, sie sei im Gegensatz zur Dienstleistungsbranche „altertümlich“ und „altmodisch“, energisch entgegen. Die Industrialisierung in Deutschland, deren Anfänge im 19. Jahrhundert zu finden sind, habe „in hohem Maß Wohlstand geschaffen“. Ein Verbund von Industrie und industrienahen Dienstleistungen sei der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg für die Zukunft. Die Industrie behalte ihre wichtige Rolle auch in Zukunft bei, nicht nur in Hinblick auf die deutsche Wirtschaft, sondern auch innerhalb Europas. „Wie viel Industrie braucht Europa? Ziemlich viel. Wie viel Industrie kann Europa? Noch viel mehr“, meint Kerber.
Industrie als „Rückgrat des deutschen Wohlstands“
Kerber nennt drei Faktoren, die zum Erfolg der deutschen Wirtschaft beigetragen hätten. Deutschland sei aufgrund der internationalen Ausrichtung der Industrie einer der „Gewinner der Globalisierung“. Deutschlands „Außenhandelsorientierung“ habe nicht nur den Wohlstand im eigenen Land gesteigert und stabilisiert. Am Beispiel von Wasseraufbereitungsanlagen sehe man auch, dass „Exportgüter maßgeblich zur Entwicklung einiger Länder“ beigetragen hätten. Als zweiten Faktor nennt Kerber die Innovationsstärke, denn „Europa ist sehr innovativ“. Ein Grund für den schnellen Weg Deutschlands aus der Krise 2008/2009 sei die Sozialpartnerschaft, die den dritten Faktor für den Erfolg Deutschlands darstelle.
Klaas Hübner, Sprecher des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung, sieht zwei Pfeiler, auf denen die Sozialdemokratie ruht, auch als bedeutsam für die Industrie: Sozialdemokraten seien Menschen, die nach vorne gingen und die den Fortschritt, sowohl technologisch als auch sozial, positiv bewerten.
Vorhandenes Potenzial nutzen
Das Potenzial in Deutschland besser zu nutzen ist eine Forderung von Kurt Beck und Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. So wird die Frage nach dem Umgang mit noch ungenutztem Potenzial – mit Frauen, jungen und alten Menschen – gestellt. Beck plädiert dafür, Ältere zu mobilisieren, die oftmals „zu früh abgeschrieben und nicht mitgenommen werden bei Innovationen“. Außerdem macht er sich für die Förderung junger Menschen durch Bildung stark und wirbt für einen „Austausch von Fähigkeiten“, der dadurch zustande kommen solle, dass sowohl junge Menschen vom Inland ins Ausland gingen als auch aus dem Ausland nach Deutschland kämen.
BDI-Hauptgeschäftsführer Kerber tritt für „Investitionen in intelligente Netze“ wie etwa im Bereich der Stromversorgung und der Transportwege ein, durch die eine Zusammenarbeit innerhalb Europas verstärkt und effizienter werden könne. Dabei sieht er Deutschland als Land, das seine „Erfahrungen als industriestarke, innovative Nation“ anderen Ländern bereitstellen könne.
Deutschland solle nicht als „Blaupause für andere europäische Länder“ angesehen werden betont Kerber. Vielmehr fordert er einen stärkeren Austausch zwischen den Ländern Europas, denn „andere haben dort Stärken, wo wir Schwächen haben“.
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