Inland

„Relikt einer feudalen Gesinnung“

von Carl-Friedrich Höck · 5. Februar 2014

Mehrere prominente Fälle von Steuerhinterziehung haben die Debatte über schärfere Gesetze gegen Steuerbetrug angeheizt. SPD-Politiker stellen den Sinn der strafbefreienden Selbstanzeige in Frage. Die Bundesregierung arbeitet an einer Neuregelung.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann sieht Handlungsbedarf: „Wenn jetzt auch Steuerhinterzieher im intellektuellen Establishment bekannt werden, deutet das auf eine viel größere Dunkelziffer hin, als bisher angenommen.“

Die Berichte über die Steuersünder Alice Schwarzer und André Schmitz zeigen für Oppermann, „dass die Selbstanzeige auch die Hemmschwelle senken kann, große Vermögen vor der Steuer ins Ausland zu verstecken“. Sie gebe Steuerhinterziehern das Gefühl, dass sie sich durch eine Selbstanzeige retten könnten, wenn es eng werde. SPD-Vize Ralf Stegner hält die Strafbefreiung für Steuersünder, die sich selbst anzeigen, sogar für „das Relikt einer feudalen Gesinnung.“ Sie schütze in der Tendenz die Reichenkriminalität.

SPD schlägt Bagatellgrenze vor

Oppermann schlägt vor, die strafbefreiende Selbstanzeige „für die großen Steuerhinterziehungen in Millionengröße“ abzuschaffen und sie nur für „kleine Fehler, die jeder Steuerzahler machen kann“, beizubehalten. Und SPD-Vize Torsten Schäfer-Gümbel fordert, die Verjährungsfristen für Steuerhinterziehung auszuweiten: „Frau Schwarzer hat dadurch, dass der deutschen Steuerfahndung in der Schweiz die Hände gebunden waren, jetzt auch noch einen wirtschaftlichen Ertrag.“ Das dürfe es in Zukunft nicht mehr geben.

Im Koalitionsvertrag haben SPD und Unionsparteien lediglich vereinbart, die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige weiterzuentwickeln. Über konkrete Vorschläge dazu beraten derzeit die zuständigen Staatssekretäre des Bundes und der Länder. Die Bundesregierung will einen Bericht der Finanzministerkonferenz zu diesem Thema abwarten, bevor sie ein neues Gesetz auf den Weg bringt. Der Bericht wird im Frühjahr erwartet.

Bisher sperren sich die Unionsparteien dagegen, die Strafbefreiung für Steuersünder, die sich selbst anzeigen, abzuschaffen. Durch die Selbstanzeigen erhalte der Fiskus Steuergelder, die er ansonsten sonst nicht bekäme, argumentiert etwa Michael Meister (CDU), Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Dagegen setzt die SPD auf eine bessere Unterstützung der Steuerfahnder, zum Beispiel durch den Ankauf sogenannter Steuer-CDs.

Schwarzer, Schmitz und Linssen: Drei prominente Fälle in zwei Wochen

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer jahrelang Steuern hinterzogen hat, indem sie die Zinsen eines Schweizer Kontos vor dem Fiskus geheim hielt. Kurz darauf musste auch der Berliner Kultur-Staatssekretär André Schmitz (SPD) einräumen, zeitweilig Steuern hinterzogen zu haben. Beide machten von der strafbefreienden Selbstanzeige Gebrauch. Weil sie die fälligen Steuern plus Säumniszinsen nachzahlten, bevor Ermittlungen gegen sie aufgenommen wurden, entgingen sie einer strafrechtlichen Verfolgung.

Dass mit Schmitz ausgerechnet ein Sozialdemokrat sündigte, rief SPD-Chef Sigmar Gabriel auf den Plan: „Repräsentantinnen und Repräsentanten der SPD haben eine besondere Vorbildfunktion, der sie auch gerecht werden müssen." Die SPD habe klar gesagt, dass sie Steuerhinterziehung strenger verfolgen und bestrafen wolle. Schmitz musste sein Amt am Dienstag aufgeben.

Ebenfalls am Dienstag ist ein weiterer fragwürdiger Fall bekannt geworden: Der CDU-Bundesschatzmeister Helmut Linssen hat laut einem Bericht der Zeitschrift „Stern“ zwischen 1997 und 2004 umgerechnet 400 000 Euro über eine Briefkastenfirma in Mittelamerika versteckt. Linssen bestreitet, Steuern hinterzogen zu haben. Warum er sein Geld im Ausland versteckte, ist bisher ungeklärt.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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