Inland

Reise durch Deutschland: Wie die Zukunft der Arbeit aussieht

IG Metall-Chef Detlef Wetzel hat eine Reise unternommen. In Gesprächen hat er Beschäftigten und Experten zugehört und herausgefunden, wie sich der Wandel der Arbeit durch die Digitalisierung der Produktion gestalten lässt.
von Vera Rosigkeit · 22. Juli 2015
BDI-Präsident Ulrich Grillo und IG Metal-Chef Detlef Wetzel bei der Buchvorstellung in Berlin
BDI-Präsident Ulrich Grillo und IG Metal-Chef Detlef Wetzel bei der Buchvorstellung in Berlin

Es ist Mode geworden, von einer vierten industriellen Revolution zu sprechen. Auch, dass die Digitalisierung der Industrie die Arbeit grundlegend verändern wird. Doch wie lassen sich die Umbrüche gestalten?

Um Antwort auf diese Frage zu finden hat sich der IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel auf die Reise begeben, um zu erfahren, wie sich die Zukunft der Arbeit ändern wird. Denn Abwarten ist für Wetzel keine Option. Sein Ziel laute vielmehr mitzugestalten, um die Chancen zu nutzen, die sich aus dem Einsatz von Industrie 4.0-Technolgien für die Beschäftigten ergeben, erklärte er am Mittwoch in Berlin. Gemeinsam mit dem BDI-Präsidenten Ulrich Grillo stellte Wetzel sein Buch „Arbeit 4.0­ – Was Beschäftigte und Unternehmen verändern müssen“ vor. „Damit will ich ein wenig dazu beitragen sensibel zu sein für die anstehenden Herausforderungen und die Räume und Möglichkeiten ihrer Gestaltung“, so Wetzel.

Von der Raupe zum Schmetterling

Ganz begeistert berichtet er in dem Buch von erfolgreichen Beispielen für das Gelingen der Umstrukturierung wie etwa dem Förderjahr beim Unternehmen Porsche, dass die Startchancen für förderbedürftige und noch nicht ausbildungsreife Jugendliche verbessern soll. Inzwischen seien 40 Prozent aller Auszubildenden bei Porsche Hauptschüler, erzählte Wetzel. Sehr berührt habe ihn der Satz eines Lehrlings, der sagte: „Vor dem Förderjahr war ich eine Raupe, jetzt bin ich ein Schmetterling.“ Auch das Gesundheitsmanagement bei  der ThyssenKrupp Rasselstein GmbH in Sachen altersgerechter Arbeitsplatz und Prävention sei vorbildlich. Das Unternehmen finanziere ein Fitnessstudio, Ernährungsberatung und Stressmanagement, so Wetzel.

Auch BDI-Präsident Ulrich Grillo betonte, wie wichtig es sei, unser Bildungssystem auf diese Veränderungen vorzubereiten. „Wir müssen zum Beispiel MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) noch attraktiver machen, um genügend Fachkräfte für die Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle zu finden“, erklärte er. Gleichzeitig zeigte sich Grillo in seiner „kritischen Würdigung“ erfreut darüber, dass Experten wie Reiner Anderl von der TU Darmstadt einer Studie von britischen Wissenschaftlern kritisch gegenübersteht, die herausgefunden haben, dass in den USA in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten 47 Prozent aller Arbeitsplätze wegfallen könnten. Wetzel habe die Ergebnisse dieser Studie in seinem Buch zur Diskussion gestellt, die aus verschiedensten Gründen nicht mit einem automatischen Wegfall von Arbeitsplätzen gleichgesetzt werden dürften, sagte Grillo. Die Studie zeige vielmehr, dass sich die Tätigkeitsfelder in einer Vielzahl der Berufe ändern werden. Es gehe nicht darum, Arbeitsplätze wegzurationalisieren, „sondern es geht um mehr Flexibilität in der Produktion“, fügte er hinzu.

Mehr Zeitsouveränität für Beschäftigte

Doch nicht nur die Produktion fordere mehr Flexibilisierung von den Beschäftigten, die Beschäftigten forderten auch mehr Flexibilisierung von den Arbeitgebern. Wetzel betonte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit nach mehr Zeitsouveränität für Arbeitnehmer, um Arbeit und Leben unter einen Hut zu bringen. Doch weiß der IG Metall-Chef auch, dass die fortschreitende Globalisierung und Digitalisierung „unsere Volkswirtschaft unter enormen Druck“ setzen. Wetzel: „Wir müssen uns anstrengen, keine Verlierer zu produzieren.“ Gerade deshalb brauche es neben Innovation auch Sicherheit.

Herausforderungen seien nur mit und nicht gegen die Beschäftigten zu entwickeln, betonte er. Überhaupt sei es eine gute Strategie, sie einzubinden. Denn es komme viel auf die Beschäftigten zu, wenn der Strukturwandel gelingen soll. Und diese wüssten meist selbst am besten, was verbessert werden muss. Deshalb sei es wichtig, ihnen zuzuhören und sie selbst über Arbeitsbedingungen, Prozesse und Innovationen mitentscheiden zu lassen. So lässt sich herausfinden, wie sich der Wandel gestalten lässt“, lautet das Fazit von Wetzels Reise in die Zukunft der Arbeit.

 

Detlef Wetzel: "Arbeit 4.0 – Was Beschäftigte und Unternehmen ändern müssen"
Herder-Verlag
ISBN 978-3-451-31306-6

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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