Ein zweitägiger Kapitalismuskongress im Mai mit anschließender Großdemonstration in Berlin und eine Fachtagung im Juni. Motto der Veranstaltungen: " Umdenken - Gegenlenken. Finanzmärkte regulieren." Der Deutsche Gewerkschaftsbund macht mobil. Aus gutem Grund, folgt man den Argumenten des Vorsitzenden Michael Sommer. Zum einen scheint sich das "Zeitfenster", um notwendige Änderungen als Antwort auf die Megakrise durchzusetzen, bereits zu schließen. Zum anderen will die Gewerkschaft eines mit Sicherheit verhindern: Dass der Staat zur Müllabfuhr schlechter Papiere wird und so Sommer, "am Ende die kleinen Leute die Zeche zahlen während sich die Verursacher schadlos halten."
Wer bezahlt die Krise?
Kein Wunder, dass eine Kritik des DGB am derzeitigen Regierungshandeln darauf zielt, dass die milliardenschweren Finanzleistungen zur Rettung der Banken an zu wenig Gegenleistungen geknüpft
sind. Weitere Kritik: Den Ursachen der Krise, wie die Deregulierung der Märkte, einschließlich der Arbeitsmärkte und dem enormen Auseinanderdriften der Einkommen, werden keine ausreichenden
Instrumente entgegengesetzt. "Schönheitspflaster statt grundlegende Änderungen", brachte Heike Joebges den Unmut an der derzeitigen Krisenbewältigung der Bundesregierung aus gewerkschaftlicher
Sicht auf den Punkt. Die Leiterin des Referates für Konjunkturforschung am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stfiftung räumte aber ein, dass die meisten
politischen Vertreter guten Willens seien.
Regulieren ist notwendig, bestätigte auch SPD-Finanzminister Per Steinbrück gleich zu Beginn seiner Rede. Einen kritischen Blick warf Steinbrück Richtung London. Selbstkritisch räumte er
Fehleinschätzungen ein und warf einen kritischen Blick auf die Deregulierung in der Politik der letzten Jahre. Dass sei jedoch auch "common sense" in den Wirtschaftswissenschaften ebenso wie in
den Medien gewesen, verteidigte Steinbrück die auch von der SPD mitgetragene Politik. Steinbrück: "Die Lernkurve hat erst mit der Finanzkrise eingesetzt. Wir brauchen Verkehrsregeln für die
Märkte, wir brauchen mehr Regulierung." Einen kritischen Blick warf Steinbrück Richtung London. Dort habe man nur die Restauration im Kopf und versuche, die Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen
Finanzplätzen zu halten.
Deshalb wies der Finanzminister darauf hin, dass Regeln für die Finanzmärkte nur wirksam seien, wenn sie auf internationaler Ebene getroffen würden. "Deutschland dürfe nicht
wettbewerbsgefährdet gegenüber andern Ländern sein", betonte Steinbrück.
Maßnahmen nur auf internationaler Ebene sinnvoll?
Dies wiederum führte zu Kritik von Seiten der Gewerkschaftsvertreter und Wissenschaftler.
Zwar favorisierte auch Heike Joebges eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene, um Spekulationen zu verteuern und dem Staat notwendige Einnahmen zu sichern. Doch gleichzeitig
griff sie den Gedanken auf, Managergehälter künftig an die Einkommensentwicklung der Beschäftigten zu koppeln: Manager wären dadurch an ein nachhaltiges Wirtschaften interessiert; zugleich
könnten hohe Einkommen ohne Wertschöpfung verhindert werden, erklärte sie. Zukünftig sollte nicht mehr nur der Staat die Aufgabe übernehmen, für sozialen Ausgleich zu sorgen, sondern auch der
Betrieb.
Peter Bofinger, Wirtschaftsprofessor aus Würzburg, plädierte für die Einführung eines TÜVs für Finanzpapiere und einer integrierten Bankenaufsicht. Wenn sich die Engländer dem verweigerten,
so Bofinger, "machen wir das eben ohne England."
Einig mit Peer Steinbrück war Bofinger in bezug auf die Tobin-Steuer. Beide hielten dieses Instrument für wenig tauglich, um eine Wiederholung dieser Krise zu vermeiden. Bofinger: "Eine
solche Steuer hätte diese Party überhaupt nicht gestört." Da sei es seiner Meinung nach sinnvoller, die Wechselkurse und damit die Devisenmärkte besser zu steuern, dann sei für "die Spekulanten
der Spaß vorbei". Auch eine "10-prozentige Heuschreckensteuer" auf Unternehmenserwerb könnte sinnvoll sein, sagte Bofinger. Diese könne ja unter bestimmten Bedingungen, beispielsweise wenn das
Unternehmen zehn Jahre lang weitergeführt werde, zurückgezahlt werden.
Bofinger sprach sich aber auch dafür aus, die deutscheSteuerpolitik grundlegend zu überdenken. Niemand stelle in Frage, dass das Einkommen eines Arbeitnehmers in Deutschland mit 40 Prozent
Steuern belegt werde. Fazit: In Deutschland wird Kapital geringer besteuert als Arbeit, kritiserte er.
Weitere Informationen finden Sie hier:
"Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise. Wie die Krise entstand und wie sie überwunden werden kann."
Analyse zur Wirtschaftskrise, herausgegeben vom
Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der
Hans-Böckler-Stiftung.
Tagungsmaterial zur Veranstaltung "Die Finanzmarktkrise und ihre Folgen":
Prof. Dr. Gustav Horn:
Zur Anatomie der Finanzmarktkrise (pdf)
Prof. Dr. Werner Abelshauser:
Geschichte wiederholt sich nicht. Oder doch? (pdf)
Prof. Dr. Ronald Schettkat:
Die verlorene Unschuld der Geldpolitik (pdf)
Prof. Dr. Gerhard Illing:
Bubbles und systemische Risiken - Herausforderungen für die Geldpolitik (pdf)
Prof. Dr. Sebastian Dullien:
Die Mär vom zu billigen Geld (pdf)
Prof. Dr. Peter Bofinger:
Weltwirtschaft nach der Krise. Wie geht es weiter ? (pdf)
und beim DGB unter www.kapitalismuskongress.dgb.de
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.