Inland

Regierungsbilanz: Verbraucherzentrale lobt Lambrecht und kritisiert Klöckner

Eindeutig mehr Schatten als Licht – zu dieser Bilanz kommt der Bundesverband der Verbraucherzentrale. Vorstands-Vorsitzender Klaus Müller stellt der großen Koalition eine durchwachsene Halbzeitbilanz aus. Lob gab es für allem für die Justiz- und Verbraucherschutzministerin der SPD.
von Benedikt Dittrich · 11. September 2019

Was hat die Bundesregierung in Sachen Verbraucherschutz zu Beginn angekündigt, was wurde nun, zwei Jahre nach der Bundestagswahl, umgesetzt? Nachdem die Bertelsmann-Stiftung bereits ihre Halbjahresbilanz vorgestellt hat, legten nun die Verbraucherschützer nach.

Anders als die Stiftung kommt Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zu dem Schluss: Beim Thema Verbraucherschutz ist noch deutlich Luft nach oben. Lob gab es vor allem für das Ressort, auf das Müller und seine Kollegen besonderen Wert legen: Das Justizministerium steht naturgemäß im Fokus der Beobachtung.

Gutes Arbeitszeugnis für Justizministerium

Christine Lambrecht, erst seit rund zwei Monaten Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz, bekommt viel Lob von Klaus Müller. „Wir freuen uns, dass das von ihrer Vorgängerin angekündigte Vorhaben nun in Angriff genommen wurde“, sagte Müller mit Blick auf einen Gesetzentwurf, den Lambrecht im Juli eingebracht hatte. Die Bürger sollen mit der Gesetzesnovelle vor allem vor Knebelverträgen und Kostenfallen bei Vertragsabschlüssen am Telefon geschützt werden. Dass der Entwurf allerdings noch nicht alle Bereiche umfasst, stört Müller: „Wir wünschen uns von Christine Lambrecht an dieser Stelle mehr Mut und Entschlusskraft.“

Am zweitbesten schneidet bei der Bewertung der Verbraucherzentralen Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU ab, allen anderen Ressorts stellen die Verbraucherschützer ein schlechteres Zeugnis aus. Bei der Bewertung wurde dabei noch nicht einmal der Wunschkatalog der Verbraucherzentralen als Maßstab genommen, wie Müller betonte: Grundlage ist der Koalitionsvertrag und die darin enthaltenen Forderungen, die den Verbraucherschutz betreffen.

Warten auf Tierwohl-Label und Lebensmittel-Ampel

Dazu gehören beispielsweise die Einführung eines Tierwohl-Labels sowie eine Nährwert-Kennzeichnung, um die Bürger beim Einkauf im Supermarkt besser und einfacher zu informieren. Beides werde mit Spannung erwartet, so Müller, aber umgesetzt seien die beiden Vorhaben noch nicht – obwohl sie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt worden waren. „Frau Klöckner schneidet nicht gut ab“, bewertete er deswegen die Arbeit der CDU-Landwirtschaftsministerin.

Bezogen auf die Nährwert-Kennzeichnung fordern die Verbraucherschützer ein Ampel-Modell, um auf einen Blick gesunde von ungesunden Lebensmitteln zu unterscheiden. Der „Nutri-Score“, den Müller und seine Mitarbeiter favorisieren, setzt auf eine fünfstufige Bewertung. Grün steht für gesund, rot für ungesund. Berücksichtigt werden viele verschiedene Faktoren, unter anderem der Anteil von Fett, Salz und Zucker sowie Proteinen und Ballaststoffen. „Das ist das beste Instrument“, erklärte Klaus Müller mit Blick auf die europäischen Nachbarländer. Der „Nutri-Score“ wird unter anderem schon in Frankreich und Belgien auf die Verpackung gedruckt.

Schlechte Bilanz für Wirtschafts, Verkehrs und Agrarministerium

Im Koalitionsvertrag angekündigt, aber noch nicht umgesetzt, oft noch nicht einmal in Angriff genommen – ähnlich schlecht schneiden deswegen das CSU-geführte Verkehrsministerium sowie das von CDU-Minister Peter Altmaier geführte Wirtschaftsministerium ab. Dabei sind diese Ressorts bei den Themen, die den Bürgern wichtig sind, ebenso in der Verantwortung: Klimaschutz, Digitalisierung und Verkehrspolitik.

Zur Ermittlung der Stimmung in der Bevölkerung befragen die Verbraucherzentralen regelmäßig die Bürger – in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa. Die Ergebnisse veröffentlicht der Bundesverband, inzwischen zum dritten Mal, im Verbraucherreport.

Dabei stellen die Meinungsforscher fest: Das Vertrauen der Bürger in die Politik sinkt – und zwar zum dritten Mal in Folge. „Nur noch 17 Prozent sprechen der Regierung das Vertrauen aus“, fasst Müller das Ergebnis zusammen. „Die Verbraucher werden im Regen stehen gelassen“, ergänzt er und nennt als Beispiele den ungelösten Diesel-Skandal, den Pflegenotstand sowie die steigenden Mietkosten.

Mit Blick in die Zukunft hat er auch einen Rat an die Politik: Beim Klimaschutz treibt die Bürger demnach vor allem die Frage um, wer am Ende die Kosten trägt – aus der Vergangenheit hätten die Bürger die Kosten der Energiewende tragen müssen, während Unternehmen durch umfangreiche Ausnahme-Regelungen geschutzt wurden. „Das darf sich bei einer künftigen CO2-Bepreisung nicht wiederholen“, mahnte Müller an. Ebenso müsse eine Reform der privaten Pflegevorsorge in Angriff genommen werden, mahnte er in Richtung große Koalition.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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