Inland

Regeln statt Verbote

von Susanne Dohrn · 27. Mai 2009
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vorwärts.de: Welche Politik für die Finanzmärkte würden sie sich von der EU wünschen?

Heike Joebges:
Eine Reregulierung, die dazu führt, dass das Finanzsystem stärker der Realwirtschaft dient. Damit das, was man sich von der Deregulierung erhofft hatte, nämlich die stärkere Förderung der Realinvestitionen, auch erreicht wird.

Sehen Sie auf europäischer Ebene zukunftsweisende Ansätze?

Das EU-Parlament hat eine Reihe von Verbesserungen auf den Weg gebracht: Es hat die Eigenkapitalrichtlinien verschärft. Danach darf eine Bank einem Unternehmen oder einer anderen Bank keinen Kredit geben, der 25 Prozent ihres Eigenkapitals übersteigt. Banken müssen bei Verbriefungen fünf Prozent selbst behalten. Das EU-Parlament hat zudem die Überarbeitung der Basel II-Direktive befürwortet. Dabei geht es darum, wie man verhindert, dass die Bilanzierungsregeln prozyklisch wirken, also z.B. den Abschwung noch verstärken. Derzeit steigen im Aufschwung die Sicherheiten der Kreditinstitute. Dann können die Banken mehr Kredite vergeben, weil sie für ihre Transaktionen weniger Eigenkapital hinterlegen müssen. Im Abschwung sinkt der Wert der Sicherheiten; die Banken müssen ihre Kreditvergabe verringern oder ihr Eigenkapital wieder erhöhen. Das verstärkt dann den Abschwung. Das ist unsinnig und war auch nicht beabsichtigt.

Wie müsste Basel II gestaltet sein, damit das nicht passiert?


Wir müssen mehr darauf achten, wie die Risiken zusammenwirken und wie sie sich auf das Gesamtsystem auswirken - statt nur auf das Risiko eines einzelnen Finanzproduktes zu schauen. Eine Möglichkeit ist, dass die Banken in guten Zeiten Rücklagen bilden müssen, die sie dann in schlechten Zeiten wieder abbauen können.

Ein Verstärker der Krise war das Auslagern von Risiken in Zweckgesellschaften, so dass sie in der normalen Bilanz nicht mehr auftauchten. Sollte man das verbieten?


Verbieten muss man es nicht. Es reicht, es finanziell zu bestrafen. Wenn man die Banken zwingt, Risiken, die außerhalb der Bilanz geführt werden, mit viel Eigenkapital zu unterlegen, werden sie davon Abstand nehmen. Außerdem sollten die Risiken dann in der offiziellen Bilanz aufgeführt werden. Alle Banken, die ihren Hauptsitz in der EU haben, sollten sich danach richten müssen.

Rating-Agenturen haben Bestnoten für Schrottpapiere gegeben. Sollte man solche Agenturen nicht einfach abschaffen?

Wegen Basel I und II hat die Bedeutung der Rating-Agenturen noch zugenommen. Wir fordern, dass Banken die Risiken wieder stärker auch selbst überprüfen und sich nicht nur auf die Agenturen verlassen. Zudem sollte man die Agenturen besser kontrollieren. Dazu gibt es Ansätze auf europäischer Ebene, die allerdings noch nicht ausreichen. Wir fänden aus Wettbewerbsgründen eine zusätzliche Europäische Rating-Agentur sinnvoll, weil es derzeit nur drei große angloamerikanische Agenturen gibt, die den Markt beherrschen.

Brauchen wir eigentlich Heuschrecken wie Hedge-Fonds und Private Equity Gesellschaften, oder sollte man die verbieten?

Nein, denn manchmal ist es für Unternehmen wichtig, dass es einen Gegenspieler am Markt gibt, der risikofreudiger ist. Wenn ein Unternehmen aus Deutschland seine Produkte in ein Land exportiert, bei dem es nicht weiß, wie sich der Wechselkurs entwickelt, dann ist es gut, wenn jemand dieses Risiko absichert. Deshalb sind wir nicht für Verbote sondern für sinnvolle und weit reichende Regulierungen. Das sieht auf europäischer Ebene allerdings nicht gut aus: die Richtlinienentwürfe des zuständigen EU-Kommissars, des Iren Charlie McCreevy, sind bisher völlig unzureichend.

Im Moment gibt es eine Welle von Reregulierungen. Warum erst jetzt?

Das liegt auch daran, dass Politikberatung viele Jahre in die falsche Richtung gelaufen ist. Zudem hatten gerade Großbritannien und die USA viele Jahre ein sehr hohes Wachstum, was auch auf die Deregulierung der Finanzmärkte zurückgeführt wurde. Gegen deren Erfolg konnte man nur schwer argumentieren. Die Risiken hat man außen vor gelassen, ebenso wie die Folgen für das Auseinanderdriften von Arm und Reich. Zudem hat auch die ökonomische Theorie zur Deregulierung beigetragen: Im vorherrschenden makroökonomischen Modellansatz sind Krisen nicht möglich, allenfalls konjunkturelle Dellen.

Muss ich die Vergütung von Managern ändern?

Das müssendie Unternehmen schon aus eigenem Interesse regeln. Der Staat kann nur die Rahmenbedingungen setzten. Die geplanten gesetzlichen Änderungen gehen aber unserer Meinung nach in die richtige Richtung.

Gebraucht wird eine Institution, die die Finanzmärkte auf internationaler Ebene kontrolliert. Die SPD schlägt den Internationalen Währungsfonds (IWF) vor. Macht das Sinn? Der IWF war viele Jahre eher wirtschaftsliberal geprägt.

Der IWF ist auf internationaler Ebene der Einzige, der sowohl das Know How als auch die Größenordnung hätte, das zu machen. Er ist nicht unsere erste Wahl, aber es gibt keine ernsthaften Alternativen auf der internationalen Ebene, zumal es unglaublich mühsam wäre, eine neue internationale Institution zu etablieren. Zudem können wir beim IWF ein starkes Umdenken feststellen, wenn auch nicht so weit, wie wir es uns wünschen. Es wäre auf jeden Fall sinnvoll, ihn auf europäischer Ebene durch eine Aufsicht zu ergänzen, die bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt sein könnte.


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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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