Reform: Wie der DGB für mehr Demokratie im Betrieb sorgen will
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In ihrem Koalitionsvertrag weisen die drei regierenden Parteien aus SPD, Grünen und FDP darauf hin, dass sie die Mitbestimmung weiterentwickeln wollen. Die sozial-ökologische Transformation und die Digitalisierung könne nur gemeinsam mit den Arbeitnehmer*innen wirksam gestaltet werden, heißt es da. Das im vergangenen Jahr beschlossene Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll evaluiert, die Behinderung demokratischer Mitbestimmung künftig strafrechtlich verfolgt werden. So weit so gut.
Sechs Punkte im Fokus
Am Mittwoch hat der DGB nun ein Reformkonzept vorgelegt, das als Gesetzentwurf für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz gelten kann. Erarbeitet hat es eine Gruppe von Expert*innen aus den DGB-Gewerkschaften gemeinsam mit Professor*innen von den Universitäten Göttingen und Bremen. „Wir alle wissen, dass sich die Arbeitswelt rasant verändert. Es ist überhaupt nicht einsehbar, dass es bei der Mitbestimmung nicht weitergehen soll“, sagt DGB-Chef Rainer Hoffmann am Mittwoch bei der Vorstellung des Konzepts „Betriebliche Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert“ bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Sechs Punkte stehen im Mittelpunkt ihrer Reform: So spielt für Hoffmann die betriebliche Weiterbildung eine große Rolle. Es reiche nicht aus, dass Betriebsräte lediglich ein Initiativrecht hätten, wenn es um die Weiterbildung der Kolleg*innen gehe, sagt er. „Sie müssen auch durchsetzungsfähig sein“. Auch für die IG Metall ist Qualifizierung und Weiterbildung ein Kernstück des Reformkonzepts. Die Zweite Vorsitzende der IG Metall Christiane Benner spricht in diesem Zusammenhang von massiven Veränderungen durch Digitalisierung und den ganzen Veränderungen „hin zu grünen Technologien“. Dabei müsse auch das bisher bestehende Vorschlags- und Beratungsrecht bei der Beschäftigungssicherung und Personalplanung zu einem „Mitbestimmungsrecht ausgebaut werden“, betont sie.
Mehr Gleichstellung, weniger Tendenzschutz
Mehr Mitsprache soll der Betriebsrat laut Konzept auch beim Thema Umwelt bekommen und für Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgerechtigkeit, um mehr Gleichstellung in Betrieben zu erzielen.
Ein stärkeres Mitbestimmungsrecht sei aber auch notwendig, um die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu sichern, da verbreiterte IT-Anwendungen am Arbeitsplatz neue Kontrollmöglichkeiten schafften. Christoph Meister, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, fordert zudem die Abschaffung des Tendenzschutzes. Dass Mitarbeiter*innen etwa in kirchlichen Einrichtungen weniger Rechte haben als in anderen Betrieben, „ist aus unserer Sicht nicht mehr zeitgemäß“. Die 1,2 Millionen Beschäftigten in diesen Unternehmen „brauchen eine wirksamere Interessenvertretung“.
Betriebsratsgründung fördern
Ein wesentlicher Punkt der Gewerkschaftsvorschläge gilt dem Schutz von Beschäftigten, die sich entscheiden, einen Betriebsrat zu gründen. Da habe Hubertus Heil vorgelegt, sagt Christiane Benner. Die Gewerkschaften unterstützten die Initiative des Bundesarbeitsministers, für die Störung oder die Behinderung von Betriebsratsgründungen das Strafrecht zu verschärfen. Für Benner ein Schritt zur Stärkung der betrieblichen Demokratie, denn „jede sechste dieser Betriebsratsgründung wird verhindert“.
Einen ausführlichen Vorschlag zum digitalen Zugangsrecht der Gewerkschaften in die Betriebe habe man ebenfalls vorgenommen, da sich die Bundesregierung vorgenommen habe, dies umzusetzen. Auch deshalb zeigt sich DGB-Chef Hoffmann optimistisch, Fortschritte zu erzielen, da seiner Meinung nach der politische Wille bei allen drei Koalitionspartnern vorhanden sei.
Arbeitnehmer*innenbegriff erweitern
Im Reformvorschlag geht es auch darum, Lücken zu schließen, die sich dadurch aufgetan hätten, weil sich Unternehmen verändert haben. Nicht zu handeln, würde Rückschritt bedeuten, sagt Johanna Wenckebach wissenschaftliche Direktorin des Hugo-Sinzheimer-Instituts (HSI). Begriffe des Gesetzes „passen wir an die betrieblichen Realitäten der Gegenwart erst einmal an“. Tatsächlich sieht der Vorschlag vor, den Arbeitnehmer*innenbegriff dahingehend zu erweitern, dass künftig auch arbeitnehmerähnliche und Leiharbeitende miteinbezogen werden.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.