Rechtsrock und Hitlergruß: So will die SPD die Probleme in der Bundeswehr lösen
Es muss eine bizarre Veranstaltung gewesen sein, die Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) im vergangenen April auf einem Schießplatz in Baden-Württemberg durchgeführt haben. Nach Recherchen der ARD feierten sie den Abschied ihres Kompaniechefs. Die Soldaten sollen dabei einen Wettbewerb im Werfen von Schweinsköpfen organisiert, rechtsradikale Lieder gegrölt und den Hitlergruß gezeigt haben.
Hans-Peter Bartels: „Irgendwas ist immer“
Wieder ein Bundeswehr-Skandal – und nicht der erste in diesem Jahr. Es scheint im Moment nicht gerade rund zu laufen in der Truppe. Das sei jedoch nur ein Teil der Wahrheit, gibt der Wehrbeauftragte des Bundestags Hans-Peter Bartels zu bedenken. „Besondere Vorkommnisse gibt es in diesem Riesenapparat Bundeswehr regelmäßig“, sagt er. „Das muss niemanden überraschen: vom Griff in die Kasse über eine Hanfplantage in der Kaserne bis zur sexuellen Belästigung, irgendwas ist immer.“ Die Militärgerichte seien damit jeden Tag beschäftigt, erklärt er. Nur für Zivilisten sei das alles oft unverständlich, deshalb gebe es nach dem Bekanntwerden solcher Fälle häufig einen öffentlichen Aufschrei.
Trotzdem muss sich CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Kritik für die vielen Negativnachrichten, die aus der Bundeswehr kommen, anhören. Schließlich hat sie das Oberkommando. Für Thomas Oppermann, den Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, ist sie die „schlechteste Verteidigungsministerin seit der deutschen Einheit“. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu, Mitglied im Verteidigungsausschuss, findet: „Das Problem fängt bei der Ministerin an.“
Bundeswehr: Mangel an innerer Führung
In der Bundeswehr gebe es einen Mangel an „innerer Führung“, stimmen Bartels und Felgentreu überein. „Man hat das Thema zu lange nicht ernst genommen“, sagt Felgentreu – und meint damit auch von der Leyen. Bartels schlägt eine Lösung vor: Er will die Bürokratie in der Bundeswehr abbauen. Damit Vorgesetzte mehr Zeit haben, sich um die politische Bildung ihrer Untergebenen zu kümmern. „Das müssen die machen, die ihre Leute kennen“, fordert er im Gespräch mit vorwärts.de. Sonst gerieten die oft jungen Soldaten auf die schiefe Bahn, suchten sich die falschen Vorbilder – zum Beispiel aus der NS-Zeit.
Die Streitkräfte seien nun mal hierarchisch und autoritär organisiert, stellt Felgentreu heraus. „Das muss eine Armee auch sein.“ Dadurch gebe es aber auch immer wieder Menschen in der Bundeswehr, „die autoritäre Denkstrukturen anziehend finden.“ Dies belegten die rechtsextremen Vorfälle in den Reihen der Bundeswehr. Die Vorgesetzten müssten jedoch auf so etwas eingestellt sein und umso fester auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stehen – und diese Werte an ihre Rekruten weitergeben.
Falsche Traditionen in der Truppe
„Wenn es keine gute Tradition gibt, wenn da Leerstellen sind, greifen manche Soldaten auf falsche Geschichtsbilder zurück“, sagt Bartels. So ließe sich erklären, dass es immer wieder Fälle von Rechtsextremismus in der Truppe gibt. Die Bundeswehr müsse deshalb ihr Selbstverständnis überprüfen, fordert der Wehrbeauftragte. Statt der Wehrmacht könnten die Verbände anderer europäischen Armeen als Vorbild dienen – etwa Spezialkräfte aus Großbritannien oder Frankreich, die in der Vergangenheit Kriegsverbrecher zur Strecke gebracht hätten.
Ursula von der Leyen hat ähnliche Pläne: Auch sie will den „Traditionserlass“ der Bundeswehr von 1982 auf den Prüfstein stellen, was Hans-Peter Bartels begrüßt.
Ursula von der Leyen kämpft um das Vertrauen
Allerdings bewerten manche die Verteidigungsministerin mittlerweile als angeschlagen. Nach dem Fall des mutmaßlichen rechtsextremen Offiziers Franco A. im April 2017 oder den Misshandlungsvorwürfen in der Kaserne von Pfullendorf Anfang des Jahres habe von der Leyen die Soldaten unter Generalverdacht gestellt, sagen viele Soldaten. So ist fraglich, wie viele Unterstützer sie in der Bundeswehr noch hat. Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels sagt: „Die Ministerin kämpft jetzt darum, Vertrauen in der Truppe zurückzugewinnen.“
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.