Rechtspopulismus: Was AfD-Anhänger und Erdoğan-Fans gemeinsam haben
Es war eine späte Entscheidung, aber dann kam sie doch: Im Jahr 2015 verabschiedete der Deutsche Bundestag die „Armenien-Resolution“. Die Abgeordneten erkannten damit den Völkermord an den Armeniern mit unzähligen Todesopfern als historische Tatsache an – was jedoch in der Türkei nicht gut ankam. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan schimpfte: Sein Land müsse sich von der Bundesrepublik in Sachen Geschichtsschreibung nicht belehren lassen.
AfD-Sympathisant stellt sich hinter Erdoğan
Für diese Einstellung bekommt der türkische Präsident Unterstützung von unerwarteter Seite – ausgerechnet ein Sympathisant der AfD stellt sich hinter die Position der AKP-Regierung und lehnt den Begriff „Völkermord“ offen ab. Es handelt sich dabei um den deutschen Historiker Johannes Henrich, der aufgrund der „Armenien-Resolution“ im Jahr 2015 nach über 20 Jahren die CDU verließ. Ein Jahr später gründete er im Rat der westfälischen Stadt Siegen die Fraktion „Alternative für Siegen“ – ohne jedoch offiziell der AfD beizutreten. Zuletzt sei er bei einer Veranstaltung von Sympathisanten der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ in Hannover aufgetreten, berichtet die „taz“.
Dass sich ausgerechnet ein AfD-naher Kommunalpolitiker wie Henrich hinter die Erdoğan-Regierung stellt, überrascht zunächst. Allerdings zeigt seine eigenwillige Auffassung von Geschichtsschreibung, wie ähnlich sich deutsche und türkische Rechte oft sind, wenn es um den Umgang mit der Vergangenheit geht. So ist die „Armenien-Resolution“ des Bundestags für den türkischen Premierminister und AKP-Politiker Binali Yıldırım nicht mehr als eine „lächerliche Entscheidung“. Für den AfD-Landtagsabgeordneten Björn Höcke ist das Holocaust-Mahnmal in Berlin wiederum ein „Denkmal der Schande“.
Erdoğan und „Reichsbürger“: Dunkle Mächte aus dem Ausland
Es ist auffällig, wie sich einige Ideen aus den Reihen der islamistischen AKP auch bei Anhängern der europäischen „Neuen Rechten“ wiederfinden: So sind sowohl die Anhänger der AKP als auch die Mitglieder der AfD für ihren ausgeprägten Nationalismus und eine strenge Gegnerschaft zur EU bekannt. Die Demonstranten von Pegida erheben sogar den exklusiven Anspruch, „das Volk“ zu sein. Bei AKP-Veranstaltungen wiederum halten Erdoğan-Fans voller Begeisterung Schilder mit der Aufschrift „Vatan“ – Vaterland – in die Luft.
Auch Verschwörungstheorien, wie etwa das Märchen von der „Fremdsteuerung“ aus dem Ausland, erfreuen sich sowohl bei türkischen als auch deutschen Rechten großer Beliebtheit: Immer wieder tauchen sogenannte Reichsbürger im AfD-Umfeld auf – also Menschen, die glauben, Deutschland sei noch immer von Alliierten besetzt. Präsident Erdoğan betont wiederum in fast jeder Rede, wie ausländische Mächte angeblich versuchten, die Türkei zu schwächen. Hinter den Gezi-Protesten 2013 oder dem gescheiterten Putsch-Versuch 2016 – überall wittert Erdoğan eine Verschwörung von dunklen Mächten aus dem Ausland.
AKP und AfD: Kaum Abgrenzung nach rechts außen
Auch die oft fehlende Abgrenzung nach rechts außen haben AKP und AfD gemeinsam: Immer häufiger gibt es Berichte über enge Verbindungen zwischen AfD-Funktionären und ausgewiesenen Rechtsextremisten. In der Türkei wiederum hat die AKP-Regierung längst den Schulterschluss mit der rechtsextremen Oppositionspartei MHP vollzogen: Der türkische Außenminister und AKP-Politiker Mevlüt Çavuşoğlu zeigte sich im März in Hamburg vor jubelnden Anhängern sogar mit ausgestrecktem Arm und „Wolfsgruß“, dem Erkennungszeichen der türkischen Faschisten.
Da überrascht es nicht, dass sich die AKP von den Werten der liberalen Demokratie, wie etwa der Pressefreiheit, verabschiedet – eine weitere Parallele zur „Neuen Rechten“: Bei Veranstaltungen von AfD, Pegida und Co. gehört das Wort „Lügenpresse“ zum normalen Umgangston, Pressevertreter werden regelmäßig als „Volksverräter“ beschimpft. Erdoğan wiederum lässt kritische Journalisten, wie den „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel, gleich in Haft nehmen – wofür der türkische Präsident zuletzt viel Lob aus der AfD erntete. Yücel sei ein „terroristischer Agent“, rechtfertigte Erdoğan die Inhaftierung des deutschen Journalisten. Aus den Reihen der AfD hieß es, Yücel sei ein „Deutschlandhasser“ und „mutmaßlicher Linksterrorist“, der hinter Gitter gehöre. Deniz Yücel als gemeinsamer Feind von deutschen und türkischen Rechten. Beweise für die angebliche Terror-Unterstützung hat jedoch weder der türkische Präsident noch ein deutscher Rechtspopulist vorgelegt – für beide Seiten scheint öffentliche Kritik als Haftgrund auszureichen.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.