Inland

Rechtsextreme in Behörden: So will Innenministerin Faeser reagieren

Die Zahl rechtsextremer Verfassungsfeind*innen in den deutschen Sicherheitsbehörden hat zugenommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist besorgt und will schnell Konsequenzen ziehen.
von Lars Haferkamp · 13. Mai 2022
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Jeder Extremismusfall muss klare Konsequenzen haben.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Jeder Extremismusfall muss klare Konsequenzen haben.“

Eigentlich sollen sie Staat und Bürger*innen vor Rechtsextremist*innen und Verfassungsfeind*innen schützen. Doch tatsächlich tun sie das genaue Gegenteil: Bei über 300 Bediensteten der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern wurden tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festgestellt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat den entsprechenden Bericht am Freitag in Berlin vorgestellt. Es ist der rund 150 Seiten umfassende „Lagebericht Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter in Sicherheitsbehörden“ .

Nancy Faeser: Besonders gefährlich für den Rechtsstaat

Innenministerin Faeser stellte bei seiner Vorstellung klar: „Wir lassen nicht zu, dass unser demokratischer Rechtsstaat von innen heraus von Rechtsextremisten sabotiert wird“. Das schulde man auch „der ganz überwiegenden Mehrzahl der Angehörigen des öffentlichen Dienstes“, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehe. Ihr Ruf dürfe nicht unter wenigen Extremist*innen leiden. „Wenn die Integrität der Sicherheitsbehörden beschädigt wird, dann ist dies besonders gefährlich für Rechtsstaat und Demokratie“, so Faeser. „Daher muss jeder Extremismusfall klare Konsequenzen haben.“

Die Bundesinnenministerin will, dass dafür Bund und Länder „alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen – und dort, wo es nötig ist, die rechtlichen Instrumente nachschärfen“. Sie kündigte einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdisziplinargesetzes ich noch in diesem Jahr an. „Wir werden Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernen“, so die Ministerin. Zudem werde die Prävention weiter gestärkt: etwa bei der Personalauswahl sowie mit Schulungen und Ansprechstellen in den Behörden.

Zahlreiche Disziplinarmaßnahmen und Entlassungen

Der neue Lagebericht umfasst einen Erhebungszeitraum von Juli 2018 bis Juni 2021. In dieser Zeit wurden insgesamt 860 Fälle ausgewertet, davon 176 Fälle bei Bundessicherheitsbehörden und 684 Fälle bei Landessicherheitsbehörden. Zu den Bundessicherheitsbehörden zählen die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Bundestagspolizei, der Zoll, der Bundesnachrichtendienst und die Bundeswehr. Insgesamt gibt es hier 355.100 Beschäftigte. Damit liegt die Zahl der Vorfälle unter 0,5 Prozent der Beschäftigten. Doch jeder Fall ist einer zu viel. „Jeder einzelne Fall von Extremismus in Sicherheitsbehörden erschüttert das Vertrauen der Gesellschaft in staatliche Institutionen“, heißt es im Bericht.

Bei 327 Bediensteten, das sind 38 Prozent der geprüften Fälle, wurden tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festgestellt. Dabei handelt es sich um 138 Fälle auf Bundes- sowie 189 Fälle auf Landesebene. Als Konsequenz aus diesen Fällen wurden im Berichtszeitraum 500 arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet. In 60 Fällen wurden Beamt*innen entlassen oder es wird eine Entlassung angestrebt.

Zahl der Fälle ist gestiegen

Damit ist die Zahl der Fälle im Vergleich zum ersten Lagebericht angestiegen. Der Anstieg ist zum einen auf die Aufnahme der Fälle aus dem „Reichsbürger*innen“- und „Selbstverwalter*innen“-Spektrum sowie der Einbeziehung der Fälle aus der Bundeswehr zurückzuführen. Zum anderen konnte auch das Dunkelfeld weiter aufgehellt werden. Durch die intensivere Zusammenarbeit und die weiterentwickelten Methoden konnten nun auch solche Fälle erkannt werden, die dem Verfassungsschutzverbund bisher unbekannt waren. Zudem führt die gesteigerte Sensibilisierung für das Thema „zu einer niedrigschwelligeren Aufnahme der Bearbeitung in den Sicherheitsbehörden“, so der Bericht.

Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, betonte bei der Vorstellung des Lageberichtes: „Für Rechtsextremisten, ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘ ist kein Platz in Sicherheitsbehörden. Solche Vorfälle erschüttern das Vertrauen in unseren Staat und sind ein Schlag ins Gesicht für diejenigen Beschäftigten, die fest mit beiden Füßen auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen.“ Haldenwang sieht im Lagebericht eine gelungene Zusammenarbeit der beteiligten Landes- und Bundesbehörden. Er biete eine einheitliche und vergleichbare Datenbasis.

Verfassungsschutzchef: „Es ist erschreckend“

Der Verfassungsschutzchef ist besorgt: „Es ist erschreckend, dass bei den Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen, über 60 Prozent Verbindungen in Form von zum Beispiel Chatgruppen oder persönlichen Kontakten zur rechtsextremistischen Szene haben.“ Haldenwang kündigte an, dies „genau im Blick“ zu behalten. Erfreulich sei hingegen, dass das Dunkelfeld weiter aufgehellt werden konnte und auch eine erhöhte Sensibilisierung für dieses Thema erreichen werden konnte.

Dem Lagebild liegt ein bundesweit einheitlicher standardisierter Erhebungsprozess zugrunde. An ihm beteiligen sich die Landesbehörden für Verfassungsschutz, die Landespolizeien sowie die Bundessicherheitsbehörden. Die Federführung hat das Bundesamt für Verfassungsschutz.

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