Inland

Ratlos in der Zirkuskuppel

von Susanne Dohrn · 12. März 2008
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Die Finanzakrobaten in der Zirkuskuppel hat das große Zittern gepackt, und es erfasst auch die, die bisher nur anderen zittern gemacht haben: die aggressiven Firmenaufkäufer, die seit Franz Müntefering im deutschen Sprachgebrauch Heuschrecken heißen. Den auf die Firmenjagd spezialisierten Finanz-Heuschrecken dürfte es für eine Weile an der Puste für große Sprünge fehlen. Die selbst klammen Banken werden nicht mehr leichthändig Kredite an räuberische Beteiligungsgesellschaften vergeben, mit denen diese Unternehmen aufkaufen und schnell wieder gewinnbringend zu Geld machen können. Vielmehr haben sich einige der Firmenjäger derart überfressen, dass sie in das Sicherheitsnetz abzustürzen drohen, das die Geld gebenden Banken notgedrungen für sie aufspannen müssen. Einige bereits trudelnde Fonds mit schmalem Eigenkapital sorgen dieser Tage für große Aufregung in der Finanzwelt.

Hohe Dividenden trotz fehlender Gewinne

Unter den gegebenen Umständen halten sich profitsüchtige Hedge-Fonds und Private-Equity-Gesellschaften vorerst an den Firmen schadlos, in die sie sich schon eingekauft haben. Dafür gibt es jüngste hässliche Beispiele: Die Finanzinvestoren KKR und Permira, Mehrheitseigner von Pro Sieben Sat 1, nötigen den TV-Konzern dreimal so viel Dividende auszuschütten, wie die erheblich verschuldete Senderkette Gewinn gemacht hat. Denn haben die geldhungrigen Heuschrecken ein Opfer erst einmal fest im Griff, so hören sie nicht so leicht auf, dieses auszusaugen.

Die Deutsche Börse war das erste finanzstarke Unternehmen, das sich dem Willen habgieriger Aufkäufer unterwerfen und auf deren Betreiben sogar seine Führung auswechseln musste. Seit Jahren nun tanzt die Deutsche Börse nach der Pfeife der sie beherrschenden angelsächsischen Finanzinvestoren, und sie hat zuletzt, 2007, wieder einmal, sämtliche verfügbare Barmittel an diese ausgekehrt, 330 Millionen Euro in der Form von Dividenden und 425 für den Rückkauf von Aktien.

"Sie fügen den Unternehmen irreparable Schäden zu," urteilt Werner G. Seifert über die Hedgefonds, die ihn zur Aufgabe des Chefsessels bei der Deutschen Börse nötigten. Wie sie das machen? - Die Aufkäufer bürden den übernommenen Firmen die dabei gemachten Schulden auf, erzwingen an die Substanz gehende Ausschüttungen oder schneiden aus dem Unternehmensverband Filetstücke heraus, die sie unter Zurücklassung eines ausgemagerten Restes gewinnbringend und dazu noch steuerfrei verkaufen.

Doch seit Helmut Schmidt in einem Aufsehen erregenden Artikel in der "Zeit" vom Februar 2007 vor diesem gemeinwohlschädlichen "Raubtierkapitalismus" warnte, hat die deutsche wie die internationale Politik nichts Entscheidendes gegen die Firmenplünderer zustande gebracht. Dagegen drohen die immer noch unbeaufsichtigten Fonds mit ihren riesigen, zweifelhaft gewordenen spekulativen Einsätzen Löcher in das Netz der gegenseitigen Finanzbeziehungen der Geldbranche zu reißen, wie es der Ex-Kanzler vorausgesagt hat. Welche fast prophetische Weitsicht des deutschen "Weltökonomen"!

Hunger auf die DAX-Unternehmen

Seit Jahr und Tag, und dieser Tage wieder, gibt es Anzeichen, dass sich die Heuschrecken auch an die ganz großen Dax-Unternehmen heranzumachen beginnen. Zur Zeit ist das Reise- und Schifffahrtsunternehmen TUI das Objekt einer solchen versuchten Kaperung, die in diesem Fall auf die gewinnbringende Zerschlagung des Konzerns zielt. Allein die heute beinahe allgegenwärtige Drohung solcher Attacken nötigt mittlerweile auch große Firmen, ihre Geschäftspolitik, mit mancherlei Kunststücken, auf die kurzatmige Steigerung des Börsenwertes abzustellen.

Vor solchen "Eigenkapitalräubern" geschützt sind nur Firmen mit großen "Anker-Investoren", die ihren Unternehmen durch dick und dünn die Stange halten. Bosch beispielsweise, eine Stiftung, Porsche, ein Familienunternehmen, oder BMW, gesteuert von der Familie Quandt, befinden sich in dieser Hinsicht auf der sicheren Seite. So gesehen, hält es Siegfried Jaschinski, Vorstandschef, der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), für einen Fehler, dass wir den Weg für die Auflösung der "Deutschland AG" freigemacht haben, indem wir die Steuer auf Veräußerungsgewinne abschafften.

Dämpfer für die Fressgier

Wie sich die von ihren Aufkäufern mit Schulden beladenen deutschen Unternehmen - als da sind Grohe, Gerresheimer Glas, Tognum (früher MTU) oder Techem - in den möglicherweise bevorstehenden wirtschaftlich härteren Zeiten bewähren, wird man gespannt verfolgen. Nach einem finanziellen Atemholen steht uns gewiss die nächste Heuschrecken-Invasion ins Haus. Nur eine Begrenzung der Schuldenüberwälzung auf die Übernahmeopfer und eine konsequente Besteuerung der Veräußerungsgewinne könnte den Heuschrecken den Appetit nachhaltig verleiden.

Aber das ist eingesetzgeberisch äußerst schwieriges Terrain, mit dessen Gestaltung sich die Berliner Politik einstweilen für überfordert hält. Mit dem Entwurf eines Risikobegrenzungsgesetzes versucht das von Peer Steinbrück geführte Bundesfinanzministerum zumindest für eine größere Durchschaubarkeit der Transaktionen zu sorgen. Ob das die Fressgier der Heuschrecken zügeln wird?

(Angaben zum Risikobegrenzungsgesetz finden sich auf den Internetseiten des Bundesministerium der Finanzen - bmf.de - in den Rubriken "Wirtschaft und Verwaltung")

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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