Inland

Rating-Agentur richtet über Regierungen

von Dietrich Jörn Weder · 17. Januar 2012

Mit der Aberkennung der bisher erstklassigen Kreditwürdigkeit Frankreichs und Österreichs fährt die amerikanische Rating-Agentur Standard & Poor schweres Geschütz auf gegen den Zusammenhalt der Euro-Zone.

Während die Anleihemärkte die Sparbemühungen Italiens und Spaniens mit niedrigeren Zinsen zu honorieren beginnen, senkt S&P den Daumen auch über diese beiden und weitere fünf Euro-Länder. Zu Recht nennt der Vorsitzende der Sozialistischen Fraktion im Europa-Parlament, Martin Schulze, die Herabstufungen einen „gezielten Angriff auf die Stabilität des europäischen Rettungsschirmes“. Denn mit den verschlechterten Testaten unterminiert die Agentur die Fähigkeit der Euro-Rettungsschirme, zu niedrigen Zinsen erstklassige Schuldscheine begeben zu können.

Amerikanische Bonitätsprüfer betätigen sich damit nicht zum ersten Mal als Brandbeschleuniger in der Euro-Schuldenkrise, und spätestens jetzt muss ihnen die EU-Kommission, mit einengenden neuen Bestimmungen dabei in den Arm fallen. Selbst China hat die neue finanzielle Notengebung als unangemessen kritisiert. Wo in aller Welt auch sollen Chinesen und Japaner noch ihre überbordenden Devisenreserven anlegen, wenn sich nur noch vier Euro-Länder durch eine finanzielle Bestnote auszeichnen? Neben Deutschland sind das nur noch die Niederlande, Luxemburg und Finnland, jedenfalls nach der Bewertung von S&P.

Agenturen für Fehler haften lassen!
Die EU-Kommission muss den amerikanischen Rating-Agenturen entweder, wie schon einmal erwogen, die Länderbeurteilungen ganz verbieten oder sie für jede mangelhafte Bewertung in Haftung nehmen. Hätten die Agenturen für ihre eklatant falschen Bewertungen in der Vergangenheit finanziell einstehen müssen, hätte der Konkursrichter über alle von ihnen schon das letzte Wort gesprochen. Lange hatten sie die mit zweitklassigen US-Hypotheken unterlegten Schuldtitel als erstklassige Anlagemöglichkeit beurteilt, ehe der ganze Schwindel aufflog und dieser die Weltfinanzkrise der Jahre 2008 und 2009 auslöste. Island stand 2008 wegen des wahrlich nicht unabsehbaren Kollapses seines Bankensektors kurz vor dem Staatsbankrott, war aber noch wenige Monate vorher von Moody´s mit der Bestnote AAA ausgezeichnet worden.

Märkte fassen Vertrauen
Nach Meinung des deutschen Wirtschaftsweisen Peter Bofinger haben die Rating-Agenturen als unbestechliche Auguren kommenden Unheils auf der ganzen Linie versagt. Doch leider ist die von vielen geforderte Gründung einer von Auftraggebern unabhängigen europäischen Agentur nicht über Ansätze hinaus gediehen. Allerdings hat sich der Gesetzgeber auch selbst von den Urteilen der Agenturen unnötig abhängig gemacht. So dürfen Versicherer für die Altersvorsorge nur Anleihen mit einer AAA-Bonität kaufen.

Bei der Beurteilung von Ländern spielen sich die Agenturen praktisch als politische Preisrichter auf. Um zu sehen, dass Griechenland tief in der roten Tinte sitzt, dafür braucht es keinen ökonomischen Sachverstand. Ob dagegen Italien und Spanien ihre Verschuldung dauerhaft in den Griff kriegen, ist zwar auch eine Frage der blanken Haushaltsdaten,  hängt aber wahrscheinlich noch mehr am politischen Willen und Können. Und in letztere setzt der so genannte Markt offenbar mehr Vertrauen als Standard & Poor. Monti heißt die neue politische Währung Italiens, und auch für Spaniens neuen Mann Rajoy, gibt es einen Vertrauensvorschuss.

Sozialdemokraten haben vorausgedacht
Dass US-Agenturen die Euro-Länder bei der Schuldenaufnahme, zu wessen Nutzen und in wessen Auftrag auch immer, auf Kosten treiben, darf die Politik nicht einfach hinnehmen. Selbst die CDU vermittelt den Anschein, dass sie es bei der Dominanz und Macht der Agenturen nicht belassen will. Die Sozialdemokraten brauchen sich in dieser Frage nicht hinten anstellen. Das alles hatte schon im Oktober 2008 eine beim Parteivorstand angesiedelte Projektgruppe in einer Ausarbeitung unter der Überschrift „Eine neue Balance zwischen Markt und Staat“ angedacht. Jetzt gehört das - mit größerer Schärfe - wieder aufs Tapet.

Autor*in
Dietrich Jörn Weder

ist freier Journalist und Buchautor.

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