Rechtsextreme Einstellungen sind kein Randproblem – sie reichen bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein. Die Friedrich-Ebert Stiftung untersucht regelmäßig das Ausmaß der Verbreitung rechten Denkens. In einer neuen Studie werden erschreckende Zahlen präsentiert.
Die Verfasser der „Mitte-Studie“, die seit 2002 alle zwei Jahre herausgegeben wird, kommen zu einem eindeutigen Ergebnis: Rechtsextreme Einstellungen bleiben auf einem hohen Niveau in Deutschland. Neun Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung verfügen demnach über ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild.
In Westdeutschland sind es 7,3 Prozent der Bürger/innen, die rechtsextrem denken. Im Vergleich zu 2010 (7,6 Prozent) bedeutet dies einen leichten Rückgang. In Ostdeutschland hingegen ist ein massiver Anstieg zu verzeichnen. Waren es 2010 noch 10,5 Prozent, sind es nun 15,8 Prozent der Bevölkerung, die ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild zeigen und damit doppelt so viele wie in Westdeutschland.
Ausländerfeindlichkeit am stärksten verbreitete rechtsextreme Einstellung
Die Ausländerfeindlichkeit ist mit 25,1 Prozent deutschlandweit die am stärksten verbreitete rechtsextreme Einstellungsdimension. Es folgen Chauvinismus mit 19,4 Prozent, Antisemitismus mit 8,6 Prozent, Sozialdarwinismus mit 4,3 Prozent, Befürwortung einer Diktatur mit 3,5 Prozent und Verharmlosung des Nationalsozialismus mit 3,1 Prozent.
Der Studie zufolge ist die Fremdenfeindlichkeit in den neuen Bundesländern sehr hoch: 39 Prozent der Bevölkerung in Ostdeutschland sind demnach ausländerfeindlich eingestellt, obwohl der Ausländeranteil dort lediglich drei bis vier Prozent beträgt. In den westlichen Bundesländern liegt er bei 20 Prozent und Fremdenfeindlichkeit zeigt sich bei 20 Prozent der Bürger/innen.
Bildung als „Schutzfaktor“
Die hohe Zustimmung zu rechtsextremen Einstellungsmerkmalen ist aber kein ostdeutsches Phänomen. Vielmehr sind die sozio-ökonomischen Strukturmerkmale einer Region entscheidend. Wirtschaftlich abgehängte und vernachlässigte Regionen, ob in West oder Ost, haben noch schwerwiegendere Probleme als hohe Arbeitslosenzahlen und Verschuldungsraten. In solchen ländlichen, weniger industrialisierten Regionen ist die Zustimmung zu rechtsextremen Denken grundsätzlich höher als in Stadtgebieten.
Umso höher die Bildung, umso niedriger die Anfälligkeit gegenüber rechtsextremen Denkmustern. Bildung wirkt als ein „Schutzfaktor“ gegenüber rechtsextreme Einstellungen. Als weiterer Faktor gilt der sozio-ökonomische Hintergrund der befragten Personen. Weniger das Gefühl der persönlichen Benachteiligung, sondern vielmehr die negative Einschätzung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland insgesamt ist mitentscheidend für rechtsextreme Einstellungen.
Rassismus im Kleid des Kulturalismus
Neben der Ausländerfeindlichkeit gehört die Islamfeindschaft zum Propagandafeld rechtsextremer Parteien wie der NPD oder Pro NRW. Statt auf völkische Argumentationslinien beziehungsweise auf eine angebliche biologische Minderwertigkeit zu verweisen, werden rassistische Ressentiments mit einer religiös-kulturellen Minderwertigkeit verknüpft. Die Verfasser der Studie stellen fest, „dass sich der Rassismus auf den Islam verschiebt und damit im neuen Kleid des Kulturalismus daherkommt.“ Eine These die durch folgende Zahlen belegt wird: 57,5 Prozent der Befragten beschreiben die islamische Welt als rückständig und 56,3 Prozent der Befragten halten den Islam für eine „archaische Religion".
Die Ergebnisse der „Mitte Studie“ seien unbequem, deren Erhebung aber notwendig, betonte Peter Struck am Montagabend bei der Vorstellung des neuen Bandes. Der langjährige SPD-Spitzenpolitiker ist Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung und befürwortet ein NPD-Verbotsverfahren: „Die NPD hat nichts in den Landtagen und Stadträten zu suchen. Null Toleranz gegenüber Intoleranz.“
Oliver Decker, Johannes Kiess, Elmar Brähler: Die Mitte im Umbruch, Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012, herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Ralf Melzer.