Inland

Ralf Stegner: Das ist sozialdemokratische Migrationspolitik

Deutschland braucht Zuwanderung und muss sie steuern. Die SPD drängt deshalb seit langem auf ein Einwanderungsgesetz, das noch in diesem Jahr kommen soll. Worauf es dabei ankommt, schreibt SPD-Vize Ralf Stegner.
von Ralf Stegner · 5. September 2018
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Ein großes Problem in der Migrationsdebatte ist ja leider, dass die Themen Arbeitsmigration und Asylpolitik zu oft vermischt werden. Sicherlich: Dieses Problem ist hausgemacht, denn es fehlt ein Einwanderungsgesetz für Ausländer, die in Deutschland arbeiten wollen. Schon seit mehr als 20 Jahren fordert die SPD ein solches, damit diese nicht den falschen Weg über Asylverfahren nutzen müssen, um eine Bleibeperspektive in Deutschland zu bekommen.

Asyldebatte als Machtdemonstration

Es ist wahr: Wir brauchen neue Fachkräfte in vielen Bereichen unserer Arbeitswelt. Ein klares Einwanderungsgesetz macht die Migration dieser Fachkräfte endlich rechtssicher und für jeden verständlich. Deutschland profitiert von Arbeitsmigration. Indem wir legale Wege bieten, schaffen wir Möglichkeiten für Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben, die wir hier dringend brauchen. Das wird ein Win-Win-Gesetz.

Somit ist es gut, dass auch die Union ihren jahrzehntelangen Widerstand aufgegeben hat, und wir endlich Einwanderung zu Arbeitszwecken in Zukunft per Gesetz regeln werden. Horst Seehofer wird dafür noch im Herbst einen Gesetzesentwurf vorlegen müssen. Das ist ein klarer sozialdemokratischer Erfolg nach dem unionsinternen Schmierentheater des Frühsommers, aus dem sich die Sozialdemokratie wohlweißlich herausgehalten hat. Denn dabei ging es der Union nicht um politische Lösungen, sondern um eine reine Machtdemonstration der CSU – quasi als Vorwahlkampfgeplänkel für die Bayern-Wahl.

Keine Lösung ohne Europa

Und von all den peinlichen Drohungen, Rück- und Rückrücktritten des Innenministers und seines Ministerpräsidenten bleibt am Ende heiße Luft: Das Recht auf Asyl gilt – natürlich, denn die SPD ist Teil der Regierung – weiter uneingeschränkt, ebenso wie die Genfer Flüchtlingskonvention; nationale Alleingänge Deutschlands, die der Innenminister ja so vehement forderte, sind ausgeschlossen, ebenso wie Zurückweisungen an der Grenze ohne bilaterale Abkommen mit unseren Nachbarn. Gut, dass Andrea Nahles und Olaf Scholz hier so klar unseren Koalitionsvertrag und unsere Grundwerte verteidigt haben: Es kann niemals eine deutsche Problemlösung gegen Europa geben. Das ist eine Frage der europäischen Solidarität.

Auch bei der Bekämpfung von Fluchtursachen, wohl mit eine der wichtigsten Aufgaben aktueller Politik, kann das Einwanderungsgesetz – zumindest in Teilen – helfen, denn die Chance auf legale Arbeitsvisa macht illegale Migration, zum Beispiel mit Schleusern über das Mittelmeer, deutlich weniger attraktiv. Nach Zählungen von Amnesty International sind dort allein in den beiden Monaten Juni und Juli mehr als 700 Menschen ertrunken. Hier zu handeln, und anständige Seenotrettung zu ermöglichen, ist ein Gebot der Menschlichkeit – und dafür tragen die EU-Mitgliedsstaaten zusammen mit der EU-Kommission gemeinsame Verantwortung! Aber nicht nur dafür muss die EU einstehen: Wenn wir nicht aktiv mit dafür Sorge tragen, dass es auch in den an Europa angrenzenden Regionen wie Nordafrika und dem Nahen Osten Frieden und ein Mindestmaß an Chancen für ein gelingendes Leben gibt, wird der Migrationsdruck auf Europa massiv steigen. Wir werden also lernen müssen, unseren europäischen Wohlstand gerechter zu teilen.

Humanität als Leitgedanke

Es wird schwierig werden, aber klar ist: Wir brauchen grundlegende Weichenstellungen in der europäischen Geflüchtetenpolitik. Und für Deutschland gilt: Schnelle, rechtsichere Asylverfahren, wie sie zum Beispiel die Niederlande praktizieren, und die tatsächlich mit raschen Rückführungen derjenigen Menschen enden, die keinen Anspruch auf unseren Schutz haben, würde die Akzeptanz für die dann hier Bleibeberechtigten sicherlich erhöhen.

Aber um es nochmal zu sagen: Niemals können und werden wir das humanitäre Recht auf Asyl antasten. Vor Krieg und Verfolgung Geflüchtete brauchen zuallererst unseren Schutz, und der kann sich niemals einer Verwertungslogik unterordnen. Unsere Leitgedanken sind dabei Humanität und gleiche Regeln für alle. Wir werden niemals zulassen, dass bei uns Hilfe suchende Menschen schikaniert werden.

Allerdings ist es mehr als fahrlässig für alle Beteiligten, bereits geleistete jahrelange Integrationsbemühungen durch Abschiebungen zu beenden. Statt die falschen, nämlich die bereits Integrierten, abzuschieben, wollen wir diejenigen loswerden, die als Gefährder oder kriminelle Gewalttäter unseren Schutz nicht verdienen. Dass jetzt endlich auch Teile der Union gegen den Irrsinn sind, dass bestens integrierte Geflüchtete abgeschoben werden, die durch Ausbildung oder bereits gefundene Beschäftigung bereits im Erwerbsleben stehen, lässt hoffen. Die SPD hatte ja diese Forderung eines sogenannten Spurwechsels in die Koalitionsverhandlungen eingebracht. Um hier keine Anreize für zusätzliche illegale Migration zu schaffen, machen wir uns für eine Stichtagsregelung stark.

Integration durch Alltagspolitik

Herfried Münkler hat sicher recht, wenn er sagt, am Erfolg der Integration wird sich der Umgang mit den Herausforderungen der Migration bemessen. Das sehen wir nicht zuletzt am aktuellen Beispiel Chemnitz. Dabei ist für uns Sozialdemokratinnen und -demokraten klar: Wir verteidigen unseren liberalen Rechtsstaat gegen seine rechten Angreifer. Jede Art von Rassismus bekämpfen wir aufs Schärfste – und es wird für uns immer gelten: Null Toleranz mit den Intoleranten! Der Verschiebung des öffentlichen Diskurses nach rechts treten wir in aller Form entgegen. Damit Integration aller gelingt, geht es uns Sozialdemokratinnen und -demokraten darum, die echten Probleme aller hier Lebenden zu lösen und fehlendes Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat wieder aufzubauen.

Unsere Themen sind bezahlbarer Wohnraum, gerechte Bildungschancen für alle, beste Bedingungen für gute Pflege, faire Absicherung im Alter, eben ein Sozialstaat, der soziale Sicherheit bietet – schlicht: gute praktische Alltagspolitik, die das Leben der Menschen besser macht, plus eine zündende Idee davon, was eine gerechte Gesellschaft eigentlich ausmacht.

Autor*in
Ralf Stegner
Ralf Stegner

ist Vorsitzender des Afghanistan-Untersuchungsausschusses im Bundestag.

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