Proteste im Iran: SPD-Minister*innen fordern Abschiebestopp
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Als erstes Bundesland positionierte sich vergangenen Donnerstag Niedersachsen: Innenminister Boris Pistorius (SPD) verhängte einen vorübergehenden Abschiebestopp für Menschen aus dem Iran, die in dem norddeutschen Bundesland Zuflucht gefunden haben. Gleichzeitig kündigte er an, bei der kommenden Konferenz der Innenminister*innen im November einen bundesweiten Abschiebestopp zu fordern.
„Unsere Solidarität ist bei den vielen mutigen Menschen im Iran, die sich gegen das Mullah-Regime auflehnen“, betonte der niedersächsische Innenminister. Er denke dabei insbesondere an die mutigen Frauen, die für ihre Freiheit bei den Protesten auf der Straße ihr Leben riskierten, so Pistorius. Unterstützt wird die Forderung auch von Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl. „Niedersachsen geht mit gutem Beispiel voran“, lobt die Organisation in einer Pressemitteilung, am Freitagmittag folgte Mecklenburg-Vorpommern mit einem Beschluss im Landtag dem Beispiel.
Auch Bremen mit „faktischem Abschiebestopp“
Zwar hätten in den vergangenen Jahren praktisch keine Abschiebungen in den Iran stattgefunden, heißt es aus dem Innenministerium in Hannover. Nach eigenen Angaben waren zwei männliche Personen in jeweils zwei Jahren betroffen. Trotzdem will Pistorius die „Rückführungen“ nun pauschal aussetzen. „Die Menschenrechtslage ist katastrophal und die Lage wird jeden Tag dramatischer“, so Boris Pistorius. Auch der Stadtstaat Bremen will derzeit offenbar niemanden in den Iran abschieben. Eine Sprecherin von Innensenator Ulrich Maurer (SPD) verwies auf die geltende Rechtslage, dass vor jeder Abschiebung die aktuelle Situation für Betroffene vor Ort geprüft werde. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen bestünde deswegen ein „faktischer Abschiebestopp“, meldete das Nachrichtenportal „buten un binnen“.
Bundesweiter Abschiebestopp im Gespräch
Geht es nach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), soll der Abschiebestopp für Iraner*innen, die Zuflucht in Deutschland gefunden haben, bald bundesweit gelten. Dazu müssen aber auch alle Innenminister*innen der Länder zustimmen, worauf Pistorius hinwirken will. „Alles, was wir hier zu ihrem Schutz tun können, müssen wir tun“, ließ Faeser schon am Donnerstag per Twitter verlauten. Abschiebungen in den Iran halte sie aktuell für nicht verantwortbar.
„Ein Abschiebestopp ist der richtige Schritt, über den die Länder schnellstmöglich entscheiden sollten“, erklärte Faeser gegenüber dem „vorwärts“. Deswegen begrüße sie die Initiative des niedersächsischen Innenministers ausdrücklich und ergänzte noch: „Alles, was wir hierzulande zum Schutz der mutigen iranischen Zivilgesellschaft tun können, müssen wir tun.“
Saarland und NRW ziehen nach
Darauf haben inzwischen weitere Bundesländer reagiert und werden die nächste Konferenz der Innenminister*innen Mitte November nicht abwarten, um zu handeln. So erklärte der asylpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Saarland, Pascal Arweiler, am Montag: „Der Iran ist kein sicheres Land, in das man Menschen abschieben darf.“ Iranische Geflüchtete - insbesondere die Frauen - müssten geschützt werden. Deshalb „begrüßen wir den Vorstoß der Bundesinnenministerin und damit „die Aussetzung von Abschiebungen durch unsere Landesregierung.“
Auch die schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat Abschiebungen in den Iran gestoppt. Thomas Kutschaty, SPD-Chef und Oppositionsführer im Landtag von NRW, hatte bereits in der vergangenen Woche die nordrhein-westfälische Landesregierung aufgefordert, „für einen besonderen Schutz für diejenigen zu sorgen, die sich für ein freiheitlich-demokratisches Leben im Iran einsetzen“ und „ihre Abschiebepraxis zu überprüfen“ .
Unterdessen sorgte eine Nachricht aus dem Freistaat Bayern für Empörung: In Passau war ein Iraner von einer Behörde unter einem Vorwand vorgeladen worden. Seine Arbeit bei einem Pflegedienst könne genehmigt werden. Als er zu dem Termin erschien, wartete aber schon die Polizei auf ihn und nahm ihn in Gewahrsam. Er sollte in den Iran abgeschoben werden. Nach lautstarker Kritik am Vorgehen der Behörden und generell an der Abschiebung soll der Fall nun erneut geprüft werden. Würde ein allgemeiner Abschiebestopp verhängt werden, könnten solche Prüfungen künftig entfallen.
Amnesty: Über 130 Tote im Iran
Auslöser der Proteste im Iran ist der Tod der 22-jährigen Zhina Mahsa Amini Mitte September. Die Kurdin war von der iranischen Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie ihr Kopftuch nicht korrekt getragen haben soll. Wenige Stunden später soll sie auf der Polizeiwache zusammengebrochen sein, kurze Zeit später stirbt sie. Die Polizei sprach zunächst von Herzproblemen bei der jungen Frau, in Sozialen Medien ist hingegen die Rede davon, dass Amini geschlagen wurde und an einer Hirnblutungen gestorben sein könnte. Was genau auf der Wache passierte, ist unklar. Klar ist aber, dass viele Iraner*innen den Behörden nicht glauben. Sie werfen der Polizei Willkür und Gewalt vor, die schließlich zum Tod der jungen Frau geführt haben soll.
In der Folge entzündeten sich in dem Land massive Proteste, die bis heute nicht abreißen. Gegen die strenge Kleiderordnung in dem Land, vor allem aber gegen die Gewalt und die Repression der Sicherheitskräfte. Frauen verbrennen ihre Kopftücher auf offener Straße, schneiden sich die Haare ab. Inzwischen sind tausende Menschen auf den Straßen, die von den Frauen initiierte Bewegung fordert den Sturz des Regimes. Das widerrum geht weiter mit brutaler Gewalt gegen jegliche Form der Proteste vor. Im Internet kursieren Videos von Schlägertrupps, Menschen werden offenbar auf offener Straße erschossen. Organisationen wie Amnesty International sprechen von mehr als 130 Todesopfern in den vergangenen Tagen, tausende Menschen wurden vermutlich verhaftet und verschleppt, inzwischen solidarisieren sich Menschen weltweit mit den Protesten, auch in Deutschland gibt es Proteste und Kundgebungen.