In den Fagus-Werken in Niedersachsen treffen Handwerk und Technologie aufeinander.
Wer sich mit der Bahn dem unscheinbaren Örtchen Alfeld in der Nähe von Hannover nähert, sieht zunächst malerische buchenbewaldete Hügel. Und dann, kurz vor der Bahnstation taucht ein prachtvoller, sandgelb geklinkerter Industriebau auf: die Fagus-Werke.
Großzügige Fensterflächen, würfelförmige Flachgebäude und ein zierlicher, 50 Meter hoher Wasserturm. Die schlichte Fabrikanlage der Fagus-Werke gilt als Schlüsselwerk der architektonischen Moderne, als Ikone des Industriebaus.
Vor gut einhundert Jahren wurde das Werk von einem jungen, damals noch unbekannten Architekten geplant: Walter Gropius. Es war das Debut des weltberühmten Begründers der Bauhaus-Bewegung. Seit 1946 steht das Werk unter Denkmalschutz, ab 1985 wurden die Gebäude sukzessive instand gesetzt. Im vergangenen Jahr hat die UNESCO die Bauhaus-Fabrik zum Weltkulturerbe erklärt.
Anders als in der Völklinger Hütte oder der Zeche Zollverein Essen wird in den Fagus-Werken noch immer gearbeitet. Es ist damit das einzige Kulturdenkmal weltweit, in dem heute noch produziert wird. In den historischen Hallen werden von 40 Mitarbeitern nach wie vor Leisten gefertigt, hölzerne Fuß-Modelle für die Schuhproduktion. Früher aus Buche, heute aus giftgrünem Kunststoff. Kunden sind namhafte Marken wie Ecco, Lloyd und Adidas.
Die Fagus-Werke sind auch Ausflugsziel und ziehen spätestens seit der Auszeichnung als Kulturerbe zahlreiche Gäste an. „Jetzt richten wir unter dem Dach des früheren Späne-Hauses ein internationales Besucherzentrum ein“, sagt Presse-Managerin Fabienne Gohres. Die 26-jährige Alfelderin setzt auf regionale und thematische Vernetzung. „Es gibt Pläne, mit der Stadt Hildesheim zusammenzuarbeiten, die ebenfalls Weltkulturerbe ist.“
„Das Denkmal ist voller Leben“, sagt Ernst Greten. Der Urenkel des Firmengründers Carl Benscheidt übernahm zusammen mit seinem Bruder 1974 den schwächelnden Betrieb. Allerdings: „Nur mit Schuhleisten ist kein Geld mehr zu verdienen“, sagt Greten.
Fagus-Grecon, wie der Familienbetrieb offiziell heißt, erwirtschaftet seinen Umsatz zu 85 Prozent in anderen Geschäftsfeldern: Mehr als 300 Mitarbeiter produzieren in der Bauhaus-Fabrik Spezialmaschinen zur Holzverarbeitung und Messgeräte für den Brandschutz.
Die Fagus-Werke sind ein lebendiges Denkmal. Das heißt: Am Wochenende wird die Werkhalle schon mal für ein Konzert leergeräumt. Und es gibt im stillgelegten Leisten-Lagerhaus eine detailreiche Ausstellung mit Einblick in die Firmengeschichte. Außerdem gibt es Bauhaus-Möbel und natürlich Schuhmode des vergangenen Jahrhunderts.
Im 4. Stock stehen ungewöhnliche Schätze: getragene Fußballschuhe von Philipp Lahm und feines Schuhwerk von Leni Riefenstahl. Angela Merkel hat ihre ausgetretenen Wahlkampf-Pumps spendiert und gleich daneben steht ein einzelner Schuh des Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff.
Firmenporträt Fagus-GreCon GmbH
Geschäftsfelder
Fagus: Schuhleisten
GreCon: elektronische Mess- und Regelsysteme und Brandschutzeinrichtungen
GreCon-Dimter: Keilzinkenanlagen für die Massivholzverarbeitung
Firmensitz: Alfeld/Hannover
Gegründet: 1911
Beschäftigte
Fagus: 40
GreCon: 320
GreCon Dimter: 120
www.fagus-grecon.de