Pro und Contra: Das neue BND-Gesetz untergräbt die Pressefreiheit
Thomas Trutschel/photothek.net
Pro: Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands (DJV)
Wer dem BND-Gesetz in unveränderter Form zustimmt, bringt Journalistinnen und Journalisten in Lebensgefahr. Das klingt dramatisch und übertrieben, es ist aber Realität. Bisher waren die Vorschriften zum Schutz der Medienvertreter gegen Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) unpräzise formuliert. Im aktuellen Entwurf ist der Passus überhaupt nicht mehr enthalten, worauf die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) und Deutscher Journalisten-Verband aufmerksam gemacht hatben. Tritt der Gesetzentwurf wie geplant in Kraft, dürfen ab 2017 ausländische Journalisten regelmäßig vom BND abgehört werden. Einfach so.
Fachleute warnen vor einem solchen gesetzgeberischen Schritt. „Offenbar betrachtet die Bundesregierung Pressefreiheit als ein deutsches Exklusivrecht, um das sie sich im Ausland nicht zu scheren braucht“, sagte Christian Mihr, ROG-Geschäftsführer. Selbst die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat sich in die Diskussion um das geplante Gesetz in Deutschland eingeschaltet. Als klare Bedrohung der Pressefreiheit hat die OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Dunja Mijatovic, das geplante BND-Gesetz bezeichnet. Sie hat den Deutschen Bundestag aufgefordert, einen Schutz für Journalisten unabhängig von deren Nationalität gesetzlich zu garantieren.
Dramatisch ist in diesem Zusammenhang, dass unsere Volksvertreter weitgehend auf Tauchstation gehen, um Argumente nicht hören und diskutieren zu müssen. Statt den Aufschreit der Experten aufzugreifen, hört man von den Politikern eher dröhnendes Schweigen. Da soll hinter den Kulissen mal schnell ein Freifahrtschein für den BND durchgereicht werden. Bei den Affären, die sich der „Dienst“ in den letzten Monaten Jahren geleistet hat, erscheint mir das nicht als besonders gute Idee. Immerhin ist vor der dem Bundesverwaltungsgericht eine Klage von „Reporter ohne Grenzen“ anhängig. Der Mailverkehr der Organisation soll vom BND ausgespäht worden sein – zu Lasten von Journalisten in autoritären Staaten.
Contra: Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Bisher war die strategische Fernmeldeaufklärung von Ausländern durch den Bundesnachrichtendienst (BND) überhaupt nicht geregelt. Dies gilt übrigens nicht nur für Deutschland, sondern auch fast alle anderen Staaten weltweit. Wir haben als SPD‑Bundestagsfraktion dafür gesorgt, dass nun mit dem neuen BND‑Gesetz ein detaillierter Rechtsrahmen geschaffen wird. Das Gesetz erlaubt es dem BND, innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen und unter Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze seine Aufgaben zu erfüllen. Eine Nichtbeachtung oder gar Untergrabung der Pressefreiheit ist damit nicht verbunden. Rechte deutscher Journalistinnen und Journalisten im In‑ oder Ausland bleiben unberührt.
Es gibt zu Recht Regeln für Berufsgeheimnisträger bei der Überwachung einzelner Telekommunikationsanschlüsse durch deutsche Strafverfolgungsbehörden. Solche Einzelerfassungen müssen richterlich genehmigt werden. Journalisten, aber auch Ärzte, Seelsorger oder Rechtsanwälte sind hier besonders geschützt.
Aufgabe des BND ist jedoch nicht die Strafverfolgung, sondern die Aufklärung des Auslandes. Es handelt sich bei der strategischen Fernmeldeaufklärung weder um eine anlasslose „Massenüberwachung“ noch um die gezielte Erfassung einzelner Personen. Beides ist dem BND ausdrücklich untersagt. Vielmehr handelt es sich um ein zielgerichtetes – auf konkreten Suchbegriffen basierendes – Frühwarnsystem, das vor allem auf Bedrohungen durch internationalen Terrorismus, organisierte Kriminalität, Proliferation und bewaffnete Konflikte abzielt.
Eine Differenzierung nach Berufsgruppen kann schon deshalb nicht erfolgen, weil keine gezielte Erfassung stattfindet. Sollten allerdings Deutsche an der zu erfassenden Kommunikation beteiligt sein, muss sie der BND herausfiltern. Hier gilt nicht das neue BND‑Gesetz, sondern das Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn hier ebenfalls keine Sonderregeln für Berufsgeheimnisträger existieren.
Der besondere Schutz von Berufsgeheimnisträgern, wie eben von Journalistinnen und Journalisten, gilt selbstverständlich weiterhin und wird durch die beabsichtigte BND-Reform in keiner Weise untergraben.
ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er arbeitet selbst als freier Journalist für WDR und ARD sowie verschiedene Print- und Onlinemedien. An der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (Köln/Berlin) lehrt er Journalismus und Politik.