Presseschau: Viel Lob für das Konjunkturpaket – und für die SPD
Thomas Trutschel/photothek.net
Frankfurter Allgemeine Zeitung: SPD hat wichtige Punkte durchgebracht
In den ersten Reaktionen überwog das Lob für diesen Vorstoß – gepaart mit einer gewissen Erleichterung, dass die Autoindustrie ihre Interessen anders als in der Zeit nach der Finanzkrise 2008/2009 nicht in dem gewünschten Umfang durchsetzen konnte. Vor allem in den Reihen der SPD-Anhänger wird betont, dass sich die Partei diesmal gegenüber der Union durchgesetzt, die ihr wichtigen Punkte durchgebracht habe. Was man durchaus so sehen kann. Von einer Mehrwertsteuersenkung profitieren besonders Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen, die einen Großteil ihres Nettogehalts für den Konsum ausgeben. Die von der CDU geforderte vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags hätte dagegen vor allem Gutverdienern geholfen – was die SPD partout nicht wollte. In dem 15 Seiten und 57 Punkte umfassenden Beschlusspapier findet sich dazu denn auch kein Wort.
Süddeutsche Zeitung: Die GroKo stärkt die sozial Schwachen
Die Bundesregierung nimmt in der Corona-Krise Abschied vom klassischen deutschen Sparkurs. Sie folgt der Erkenntnis: Nur massive Investitionen helfen den jüngeren Generationen. …
Man will, um Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu zitieren, mit Wumms aus der Krise kommen. Genau das macht den Unterschied zu klassischen Konjunktur- und Sparpaketen aus, die in den vergangenen Jahren geschnürt worden waren. Mehr als 80 Milliarden Euro sollten (2010) eingespart werden, vor allem mit sozialen Kürzungen. Die große Koalition macht nun genau das Gegenteil, sie stärkt die sozial Schwachen. Das ist eine bemerkenswerte Wende. …
Das Paket der Koalition spiegelt wider, was sich schon im letzten Jahr angedeutet hat: Die deutsche Wirtschaft wächst, weil die Konjunktur im Land brummt. Die Einkommen waren gestiegen, die Bürger in Kauflaune, das Handwerk und der Bau brummten, der Einzelhandel auch. Genau dort wollen CDU, CSU und SPD nun anknüpfen. Das Bemerkenswerte daran ist, dass sie damit die Grenzen der Globalisierung anerkennen, die das Virus überdeutlich aufgezeigt hat. Die deutschen Exportunternehmen werden nicht so bald an alte Stärke anknüpfen können, weil Lieferketten und Märkte weggebrochen sind. Umso wichtiger wird es sein, dass es im Binnenmarkt gut läuft.
Redaktionsnetzwerk Deutschland: Wenn die Probleme groß sind, funktioniert die GroKo
Die Einigung zeigt: Deutschland wird von einer großen Koalition regiert, die handlungsfähig ist – zumindest dann, wenn die Probleme besonders groß sind. Die Vernunft siegt über ideologische Grabenkämpfe. Das war in der Finanzkrise 2008/2009 so, das ist auch jetzt wieder gelungen. So richtig es war, die Pandemie durch einen Shutdown kontrollierbar zu machen, so unabdingbar ist es jetzt, die wirtschaftlichen Folgen der Vollbremsung durch Milliardensummen zumindest abzumildern. Eine große Koalition für große Aufgaben, hatte Merkel 2013 gesagt. Jetzt stimmt der Satz endlich einmal.
Beim nun vereinbarten Paket fehlt sogar das üblich Merkmal eines politischen Kompromisses, nämlich ein Tauschhandel, der nicht der Sache dient, sondern nur der Gesichtswahrung gegenüber der jeweiligen Wählerklientel. Vielmehr wurden bei den Verhandlungen alte Ideen begraben und neue Lösungen gesucht. …
Je schneller längst überfällige Investitionen getätigt werden, desto früher und stärker werden die konjunkturellen Effekte eintreten. Die Schulden kann der Staat dann bei halbwegs disziplinierter Haushaltsplanung „ausschwitzen“.
t-online: Grundstein für eine bessere Zukunft
Herzensanliegen der SPD stecken ebenso in dem Paket wie Gutsle der Union für ihre Mittelstandswähler, aber der größte Teil des Kuchens besteht aus vielversprechenden Impulsen, die tatsächlich ihren Zweck erfüllen könnten: Zum einen wird der Geldkreislauf schnell belebt. Wer Anschaffungen plant – sei es ein neues Sofa, ein Auto oder eine Fabrikmaschine – der kann in den kommenden Monaten richtig Geld sparen. Zum anderen beginnt Deutschland endlich die Weichen für den klimafreundlichen Verkehr zu stellen. Fahren künftige Regierungen auf dieser Schiene konsequent weiter, dann könnte dieser späte Abend des 3. Juni 2020 tatsächlich eine Zäsur markieren: als Grundstein für eine bessere Zukunft. Dass es dafür erst einer historischen Pandemie bedurfte, zeigt, wie schwerfällig dieses Land noch immer ist.
Der Tagesspiegel: Der Mut verdient Lob
Das Konjunkturpaket überrascht – und es ist sehr durchdacht. Anders als erwartet, haben sich Union und SPD nicht verzettelt. Die Regierung hat mit dem Konjunkturpaket ein Signal der Handlungsfähigkeit gesendet. …
Zwar fühlte man sich in den vergangenen Tagen bisweilen eher an Koalitionsverhandlungen erinnert als an gezieltes Regierungshandeln. Aber die Koalition hat dann doch überrascht: Die generelle deutliche Mehrwertsteuersenkung ist eine Maßnahme mit Signalcharakter, die den Konsum anregen soll – und Konsumstärkung ist eine gute Maßnahme, wenn es darum geht, die Konjunktur zu stimulieren.
Allerdings muss die Wirtschaft auch mittun und die Steuersenkung weitergeben – jedenfalls in den Branchen, die bisher nicht so gebeutelt sind. In anderen, gerade im kleinen Einzelhandel, kann das wiederum Verluste dämpfen. Aber ein gewisses Risiko bleibt: Dass am Ende das Minus bei den Steuereinnahmen größer ist als das Plus bei der Konjunktur. Doch der Mut verdient Lob.
tagesschau.de: Die GroKo hat der Versuchung widerstanden
Die Große Koalition konnte einer Versuchung widerstehen, Klientelpolitik zu machen. Alte Forderungen haben Union und SPD hinter sich gelassen und dafür neue Lösungen gesucht. Was wurde zuvor über Kaufprämien für Diesel und Benziner gestritten? Urlaubsgutscheine und Helikoptergeld! Was für ein ökonomischer Unfug.
Große Teile des Konjunkturpaketes waren auch vor Corona schon nötig. Wie Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung sowie die Entlastung verschuldeter Kommunen. Je schneller längst überfällige Investitionen fließen, desto schneller greifen konjunkturelle Effekte.
Handelsblatt: Überraschungscoup gelungen
Union und SPD ist mit der Senkung der Mehrwertsteuer ein Überraschungscoup gelungen. Jetzt müssen die Bürger nur noch shoppen gehen, bevor die Rechnung kommt.
Die Kanzlerin und ihr Bundesfinanzminister präsentierten ganz am Ende dann noch eine echte Überraschung. Es war nicht das politisch unstrittige Vorziehen der teilweisen Abschaffung des Soli. Die Koalition senkt dafür befristet die Mehrwertsteuer. Das bringt etwas auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite. Gerade die Familien können von einem niedrigeren Mehrwertsteuer richtig profitieren, sie müssen jetzt nur noch einkaufen gehen.