Preisverleihung: Publikationen über Korruption und Finanzkrise ausgezeichnet
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„Spannend von der ersten bis zur letzten Seite“, sagt Jury-Mitglied Peter Bofinger bei der Verleihung des Hans-Matthöfer-Preises in der Friedrich-Ebert-Stiftung über das Buch „Crashed – wie die Finanzkrise unsere Welt veränderte“ von Adam Tooze. Es werde im vollen Maße den Ansprüchen des Preises gerecht. Das Buch handelt von der Finanzkrise 2008 und erklärt die Auswirkungen, die sie bis heute weltweit hat.
Als „journalistische Meisterleistung“ bewertet der ehemalige Wirtschaftsweise am Freitag den Artikel „Blackrock – Ein Geldkonzern auf dem Weg zur globalen Vorherrschaft“. Der Artikel teilt sich mit dem Buch von Tooze den Hans-Matthöfer-Preis. Erschienen ist er zunächst im „Tagesspiegel“. Harald Schumann und Elisa Simantke nehmen den Preis stellvertretend für das Team „Investigate Europe“ entgegen.
Die Finanzkrise und ihre Auswirkungen
„Crashed“ sei nicht bloß als Geschichte einzuordnen, sondern als Dokument seiner Zeit, sagt Adam Tooze. „Es dokumentiert den Moment, in dem sich das ökonomische Denken von der nationalen Volkswirtschaftslehre löste und tatsächlich begann, sich mit der tiefgreifenden Globalisierung der letzten Jahre auseinanderzusetzen.“ Matthias Kollatz, SPD-Finanzsenator in Berlin, stimmt zu: „Die Finanzkrise war ausschlaggebend für ein Umdenken in der Ökonomie. Sie zeigt ausdrucksvoll, dass die gepredigte Selbstregulierung des Marktes gescheitert ist.“
Die Auswirkungen sind nach Kollatz immer noch zu spüren, zum Beispiel an den niedrigen Zinsen. Diese seien auf Dauer keine sinnvolle Lösung. Als indirekte Krisenfolge sieht er die Spekulationen auf dem Wohnmarkt: „Wenn große Kapitalanlagestellen für die zehnjährige deutsche Staatsschuld Negativwerte bekommen, also Geld „verbrennen“, ist die Versuchung groß, Grund und Boden in sich entwickelnden Städten wie Berlin als Sparbuch zu nutzen.“
„BlackRock“ schlägt Profit aus der Krise
Im Beitrag vom Journalistenteam „Investigate Europe“ wird der Konzern „BlackRock“ genauer unter die Lupe genommen. In ihrem Artikel „Blackrock – Ein Geldkonzern auf dem Weg zur globalen Vorherrschaft“, beschreiben die Journalisten, wie das Unternehmen Profit aus der Finanzkrise schlagen konnte: „Sie hatten ein computergestütztes System für die Analyse großer Portfolios entwickelt. Damit wussten sie Rat für den Umgang mit den „toxischen“ Konstrukten der Banken. „Aladdin“ nannten sie ihr Programm. Ein Geldhaus nach dem anderen heuerte die Blackrock-Berater und ihren Aladdin an, um aufzuräumen.“
Peter Bofinger findet, dass dieser Einfluss auf das Bankensystem besonders interessant sei: „BlackRock“ hat durch seine Analysefähigkeiten von Kreditportfolien die Krise für sich genutzt, indem das Unternehmen anfing, sich bei den Bankkrisen in Irland und Griechenland als offizieller Analyst ins Geschäft zu bringen.“
Die Macht eines Unternehmens
Harald Schumann, einer der Journalisten, habe schon sehr viel zum Thema Finanzkrise geschrieben. Doch bei „BlackRock“ sei alles anders: „Schon das Vermögen von 6,3 Billionen Dollar ist eine Machtkonzentration in privater Hand, die es noch nie gegeben hat“, erklärt er.
Wichtiger sei aber die enge Verflechtung mit der Politik und den Zentralbanken, sagt Schumann. Er spricht von einer „personellen Verflechtung jenseits aller Größen“ und bezieht sich dabei auf Mexiko: „In Mexiko ist „BlackRock“ größter Investor bei den privatisierten Infrastrukturunternehmen des Landes und managt zeitgleich die staatlichen Pensionfonds.“ In den USA sei das Unternehmen der operative Arm des Finanzministeriums bei der Bewältigung der Finanzkrise. „Gleichzeitig ist „BlackRock“ aktiv im Geschäft mit der lukrativen Abwicklung der faulen Wertpapierpakete“, sagt Schumann.
Gegenseitige Durchdringung von Staat und Unternehmen sei zwar ein bekanntes Phänomen, zum Beispiel bei der Autoindustrie in Deutschland. Das Besondere bei „BlackRock“ sei, „dass sich diese Aufhebung der Trennung von Staat und privaten Unternehmen nicht nur in einem Land, sondern gleich auf dutzende Staaten auf beiden Seiten des Atlantiks erstreckt“, so Schumann.
Der Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik wird an Männer und Frauen vergeben, die zukunftsorientierte Wirtschaftsliteratur verfassen. Dabei ist eine besondere Voraussetzung, dass sich diese Literatur nicht auf den allgemeinen Konsens der Ökonomie bezieht.
studiert Sozialwissenschaften und war im Frühjahr 2019 Praktikantin beim vorwärts-Verlag.