Am kommenden Montag beginnt der Weltklimagipfel in Warschau. Im Interview mit vorwärts.de dämpft Matthias Groote die Erwartungen. Gleichzeitig fordert der Vorsitzende des Umweltausschusses des Europaparlaments: „Die EU muss in Warschau mit einer Stimme sprechen.“
vorwärts.de: Vom 11. bis 22. November trifft sich die Weltgemeinschaft zum Klimagipfel in Warschau. Mit welchen Gefühlen machen Sie sich auf den Weg in die polnische Hauptstadt?
Matthias Groote: Das Treffen in Warschau ist mittlerweile meine vierte Klimakonferenz. Im vergangenen Jahr in Doha habe ich auch schon einmal die Delegation des Europaparlaments geleitet. Das Gipfel-Parkett ist also kein Neuland für mich. Nach Warschau blicke ich mit gemischten Gefühlen. In Doha hat sich die EU nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Ich hoffe, dass das in Warschau anders sein wird.
Das Treffen in Doha ist vielen als Gipfel der Uneinigkeit in Erinnerung. Russland und einige östliche EU-Staaten haben auf ihren Emissionsrechten beharrt. Wird Europa diesmal mit einer Stimme sprechen?
Wir sollten uns auf jeden Fall nicht so präsentieren wie beim letzten Mal. Da wurden – übrigens auch von deutscher Seite – tröpfchenweise und halböffentlich Zusagen gemacht, die der Position anderer Länder widersprochen haben. Das darf einfach nicht passieren! Die Europäische Union muss mit einer Stimme sprechen und die Mitgliedsländer dürfen nicht alle ihr eigenes Süppchen kochen.
Im vergangenen Jahr wurde vereinbart, dass bis 2015 ein neues Klimaabkommen ausgehandelt werden soll, das 2020 in Kraft tritt. Welchen Beitrag kann das Treffen in Warschau zu diesem neuen Abkommen leisten?
In Warschau wird es vermutlich nicht den großen Durchbruch geben. Im Moment schaut alles auf das Treffen in Paris 2015. Aber natürlich soll und wird der diesjährige Klimagipfel ein wichtiger Schritt sein. Wir müssen uns auf gemeinsame Positionen verständigen, Detailfragen klären und den Zeitplan bis Paris festlegen. Im kommenden Jahr müssen sich dann die Staaten verbindlich festlegen, ob sie sich an einem Folgeabkommen des Kyoto-Protokolls beteiligen wollen. Und 2015 muss der Sack dann zugemacht werden.
Die Entscheidung über mehr finanzielle Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern, der so genannten Green Climate Fund, wurde in Doha vertagt. Gibt es in Warschau eine Einigung?
Ich habe da leider meine Zweifel. Die Konferenz in Warschau dient in erster Linie dazu, Zwischenetappen auf dem Weg zu einem Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll festzulegen. Klar ist, dass der Fonds vollkommen unterfinanziert ist. Die Geber-Länder müssen im Laufe des kommenden Jahres verbindliche Zusagen machen, wieviel Geld sie zur Verfügung stellen. Ohne diese Zusagen wird es 2015 auch keine Einigung für ein neues Klimaabkommen geben.
In Doha hat sich Polen bei der Begrenzung von CO2-Emissionen quer gestellt. Spielt es eine Rolle, dass die diesjährige Konferenz gerade dort stattfindet?
Ich bin sehr gespannt, ob Polen den Spagat zwischen Wirtschaft und Klimaschutz bekommen wird. Das Land ist nicht gerade dafür bekannt, dass es ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz ist, sonder steht leider eher auf der Bremse. Das erschwert ein einheitliches europäisches Vorgehen. Die Weltklimakonferenz ist aber kein Wirtschaftsgipfel. Für viele Staaten geht es schlichtweg um das Überleben ihrer Einwohner. Da die Konferenz in Warschau stattfindet, hat Polen auch eine große Verantwortung, die unterschiedlichen Positionen zu koordinieren.
Was erwarten Sie vom Konferenz-Präsidenten, dem polnischen Umweltminister Marcin Korolec?
Er kann mit dieser Aufgabe wachsen.
Das öffentliche Interesse an den jährlich stattfinden Klimagipfeln nimmt von Jahr zu Jahr ab. Wie kann man die Öffentlichkeit wieder für das Thema sensibilisieren?
Wir müssen den Menschen den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und den Naturkatastrophen vor ihrer Haustür und den damit verbundenen Kosten klar machen. Dafür müssen wir die Finanzwirtschaft mit ins Boot holen und an der Debatte beteiligen. Für die Versicherungen werden die Folgen des Klimawandels nämlich zunehmend zu einem ökonomischen Problem. Es wird schon bald in einigen Regionen Europas Industrieanlagen geben, die nicht mehr versichert werden können, weil sie massiv durch extreme Wettersituationen gefährdet sind. Diese ökonomischen Folgen dürfen wir nicht vernachlässigen.
Welche Erwartungen haben Sie an die Bundesregierung, die ja zurzeit nur kommissarisch im Amt ist?
Deutschland muss vor allem zwischen den einzelnen Staaten vermitteln und koordinieren. Leider ist Bundesumweltminister Peter Altmaier bisher viel zu wenig in Erscheinung getreten. Er agiert meiner Meinung nach nicht ambitioniert genug. Seinen Worten hat er bisher kaum Taten folgen lassen. Wir werden sehen, ob das in Warschau anders wird. Immerhin ist die FDP als großer Bremsklotz nicht mehr dabei. Das wird auf jeden Fall positiven Einfluss haben. Klar ist: Die nächste Bundesregierung muss die Energiewende europäisch gestalten.
Und wo steht der größte Verschmutzter, die USA?
Die USA verfolgen einen anderen Ansatz als wir in Europa: Sie setzen an der Quelle der Verschmutzung an, indem sie Grenzwerte für den Ausstoß von Klimagasen wie CO2 festlegen. Wir in Europa wollen dagegen dort CO2 einsparen, wo es am wirtschaftlichsten und kostengünstigsten ist. Deshalb gibt es bei uns das System des Emissionshandels. Trotzdem bin ich optimistisch, dass sich auch die USA über kurz oder lang an diesem System beteiligen werden. China ist schließlich gerade dabei, ein eigenes System für den Handel mit Emissionsrechten zu etablieren. Der Emissionshandel wäre der erste internationale Markt, an dem sich die USA nicht beteiligen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.