Inland

Pilotprozess: Gericht stuft Plattformbeschäftigten als Arbeitnehmer ein

Crowdworker sind nicht zwingend selbstständig, sondern können auch - ohne Arbeitsvertrag - angestellt sein. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht in einem Pilotprozess entschieden. Erfolg hatte ein Mann aus Wesel, der für die Plattform Roamler arbeitete und gegen seine „Kündigung“ klagte.
von Christian Rath · 2. Dezember 2020

Crowdworker erhalten ihre Aufträge in der Regel über eine Internetplattform. Dort werden kleine Aufgaben angeboten, wer zugreift kann etwas verdienen. In Deutschland gibt es schon Hunderttausende, die mit solchen Mikro-Aufträgen Geld verdienen – meist ist es nur ein Zuverdienst.

Arbeitnehmer oder soloselbstständig?

Der konkrete Kläger ist 52 Jahre alt und stammt vom Niederrhein. Er hatte die App der Münchener Plattform Roamler auf seinem Smartphone geladen und übernahm regelmäßig kleinere Auftrage, oft mehrere hundert im Monat. So kontrollierte er zum Beispiel bei Geschäften, ob bestimmte Werbeplakate korrekt zu sehen waren. Knapp 20.000 Euro verdiente er damit im Jahr 2017. Doch nach einem Konflikt beendete Roamler im April 2018 die Zusammenarbeit.

Der Mann zog vor Gericht. Er war wohl der erste Crowdworker, der auf die Feststellung seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer klagte. Unterstützung erhielt er von der Gewerkschaft IG Metall, die das Crowdworking mit Sorge beobachtet, weil hier arbeitsrechtliche Standards unterlaufen werden können. In den ersten beiden Instanzen verlor der Rheinländer jedoch. Er sei kein Arbeitnehmer, sondern selbstständig. Er habe die Aufträge nicht annehmen müssen, so das Landesarbeitsgericht (LAG) München.

Nach BAG-Bescheid: Lohnnachzahlung

Überraschend entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun anders. Der klagende Crowdworker habe faktisch ein Arbeitsverhältnis mit Roamler gehabt. Die konkrete Organisationsstruktur der Plattform sei darauf ausgerichtet gewesen, dass sich die Tätigkeit pro Kleinstauftrag erst einigemaßen rentierte, wenn man ein gewisses „Level“ erreicht hatte. Und um dieses Level zu halten, musste man regelmäßig für Roamler arbeiten. Diese Anreize führten dazu, dass die Tätigkeit letztlich doch eher fremdbestimmt war.

Die Folgen im konkreten Fall sind nun aber recht begrenzt. Denn Roamler hat im Sommer 2019 sicherheithalber ein eventuell bestehendes Arbeitsverhältnis gekündigt. Heute ist der Mann also definitiv nicht mehr Arbeitnehmer von Roamler. Allerdings kann er für die Monate nach der Trennung Lohnnachzahlung verlangen. Da könnten einige Tausend Euro zusammenkommen. Der Fall geht nun wieder zurück ans LAG München.

Heil will Absicherung von Crowdwortkern

Das Urteil ist nur schwer verallgemeinerbar. Weil jede Plattform im Detail anders organisiert ist, kann man auch nach dem BAG-Richterspruch nicht sagen, dass nun alle Crowdworker „Arbeitnehmer“ sind. Vielmehr können die Plattformen sogar reagieren und die Mechanismen so verändern, dass wieder eindeutig Selbsttändigkeit vorliegt.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat vorige Woche einige Eckpunkte zur Plattformökonomie veröffentlicht. Er will vor allem eine bessere soziale Absicherung für Crowdworker bzw. Soloselbstständige schaffen, etwa bei der Rente.

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