Petra Köpping: Warum Sachsen im Kampf gegen Corona jetzt auf 2G setzt
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Ab Montag sollen in Sachsen nur noch Geimpfte und Genesene Zugang zu Veranstaltungen sowie zu Restaurants erhalten. Was hat die Staatsregierung zu diesem Schritt bewogen?
Die Situation in Sachsen ist dramatisch. Das muss man einfach so sagen. Ich neige nicht zu Übertreibungen. Die Krankenhausbelegung durch Corona-Patienten ist so hoch, dass wir bereits die sogenannte „Vorwarnstufe“ erreicht haben. Die „Überlastungsstufe“ werden wir auch schon sehr bald erreichen. Unsere Experten haben uns dringend geraten, jetzt zu reagieren. Und das tun wir. Wir ziehen jetzt Maßnahmen vor, die bisher erst ab der Überlastungsstufe gelten würden.
Sachsen hat bundesweit die niedrigste Impfquote. Wie erklären Sie sich das?
Wir betreiben natürlich auch Ursachenforschung zur Impfbereitschaft in Sachsen – es dürfte sich um eine Mischung von Ursachen handeln. Zum einen dürfte bei dem einen oder anderen die niedrigen Inzidenzen, die wir bis weit in den Spätsommer hatten und eine damit verbundene gewisse Sorglosigkeit bzw. ein Sicherheitsgefühl eine Rolle spielen – die Impfung wurde gedanklich auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Die Brisanz der Lage wird offenbar jetzt von vielen noch nicht erkannt. Ein möglicher Teil-Aspekt ist zudem, dass wir in Sachsen eine sehr hohe Infektionsrate hatten. Dies kann bewirken, dass Viele Menschen kennen, die sich infiziert hatten, aber einen harmlosen Verlauf hatten. Auch das könnte möglicherweise dazu führen, dass die Relevanz der Impfung als nicht so hoch eingeschätzt wird, schon gar nicht bei Kindern und Jugendlichen. Auch die Rolle der sozialen Medien – und die dort teilweise gestreute Verunsicherung und Desinformation mit Bezug zur Impfung könnte ein Aspekt sein. Ebenso könnte eine Rolle spielen, dass Menschen glauben, andere lassen sich impfen, also muss ich nicht mehr. Es herrscht hier in Sachsen eine gewisse Impfskepsis, die vielleicht auch größer als anderswo ist. Das sieht man auch daran, dass viele jegliche Corona-Schutzmaßnahmen ablehnen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, auch wenn sich dies jetzt rächt.
Die Gesundheitsministerkonferenz empfiehlt die Reaktivierung der Impfzentren. Wird Sachsen der Empfehlung folgen?
Wir haben die Impfzentren geschlossen, weil es keinen Bedarf mehr gab. Trotz heruntergefahrener Kapazitäten waren sie teilweise nicht mal mehr zu 20 Prozent ausgelastet. Es muss aber weiter alles getan werden, um den Menschen das Impfen so einfach wie möglich zu machen. Dafür haben wir weiterhin zahlreiche unterschiedliche Impfangebote: in Arztpraxen, bei Betriebsärzten, in mittlerweile rund 20 Krankenhäusern und MVZ und natürlich durch unsere 30 mobilen Teams. Durch die neue Empfehlung der Sächsischen Impfkommission, wonach sich alle Menschen ab 18 Jahren boostern lassen können, ist die Nachfrage vor allem nach Booster-Impfungen deutlich gestiegen. Hier reagieren wir: Wir werden in jedem Landkreis ein mobiles Team an einem festen Ort installieren, um ein verlässliches Angebot zu bieten. Zudem werden wir die 30 mobilen Teams personell verstärken, um deren Kapazität deutlich zu steigern. Wenn es weiteren Bedarf gibt, werden wir handeln.
Inzwischen hat jede*r in Deutschland ein Impfangebot bekommen. Die Impfquoten reichen trotzdem nicht aus, um die Inzidenzen niedrig zu halten. Führt am Ende kein Weg an einer Impfpflicht zumindest für bestimmte Gruppen vorbei?
Ich war immer gegen eine Impfpflicht. Ich bin hier hin- und hergerissen, gerade mit Blick auf das Personal in den Pflegeheimen. Da gibt es Pflegeheime mit vielen Toten, und das Personal lässt sich trotzdem nicht impfen. Ich verstehe nicht, dass man die alten Menschen, die betreut werden, so einer Gefahr ausgesetzt werden. Das hat etwas mit Verantwortung zu tun. Hier sind meine Überlegungen aber noch nicht abgeschlossen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.