Inland

Peter Neumann: Deutschland fehlt ein Konzept für mehr Sicherheit

Peter Neumann gilt als international anerkannter Experte bei Fragen zum islamistischen Terrorismus. Wir sprachen mit ihm über die von IS-Rückkehrern ausgehenden Gefahren und die Rolle der SPD im Kampf gegen den Terror.
von Robert Kiesel · 19. Oktober 2016
Terror-Experte Peter Neumann
Terror-Experte Peter Neumann

Herr Neumann, im Irak läuft aktuell eine Militäroffensive gegen die Islamischen Staat auf die Stadt Mossul. Wie genau verfolgen Sie die Geschehnisse vor Ort?

Ich beobachte das mit meinen Kollegen sehr aufmerksam und verfolge die Entwicklungen sehr genau. Muss der IS Mossul aufgeben, gleicht das einer symbolischen Niederlage, die das gesamte Projekt des IS ins Wanken bringt und damit auch die Situation in Deutschland tangieren könnte.

Wie meinen Sie das?

Der IS hat vor nicht ganz zweieinhalb Jahren sein Kalifat ausgerechnet in Mossul ausgerufen. Bricht dieses vermeintlich 1000 Jahre und länger haltende Kalifat nun nach nicht ganz zweieinhalb Jahren zusammen, verliert der IS endgültig seine Attraktivität. Die Frage ist dann: Was machen die knapp 10.000 Kämpfer des IS vor Ort, darunter knapp 2000 Westeuropäer?

Angenommen sie kehren zurück in ihre Heimatländer: Steigt dann die Terrorgefahr in Deutschland?

So pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Sicher gibt es unter den Rückkehrern desillusionierte Kämpfer, die sich abwenden vom Terror des IS. Andere aber teilen die ideologischen Grundlagen weiter, sind Salafisten und Dschihadisten und damit auch gefährlich. Sie zu kontrollieren ist eine große Herausforderung für die hiesigen Sicherheitsbehörden. Wichtig zu betonen ist aber folgendes: Die Rückkehrer sind kein zukünftiges Problem. Viele von ihnen sind bereits in ihre Heimatländer zurückgekehrt, auch nach Deutschland.

Was gilt es zu tun?

Wir müssen akzeptieren, dass die Sicherheitspolitik für viele Jahre ein Thema in Deutschland und Europa bleiben wird. Statt auf jeden Anschlag mit immer neuen Forderungen wie dem nach einem Burka-Verbot zu reagieren, brauchen wir ein echtes Konzept. Wir brauchen eine Inventur unserer Sicherheitspolitik, müssen uns alle Bereiche genau anschauen. Was bislang fehlt, ist ein Konzept. Dazu zählt auch, dass im Bereich der Prävention und Rehabilitation mehr investiert werden muss.

Inwiefern kann sich die SPD dabei einbringen?

Traditionell ist das Thema Sicherheit eher eines der konservativen politischen Kräfte. Es gibt aber auch Möglichkeiten für Kräfte links der Mitte, Sicherheitspolitik zu beeinflussen.

Welche genau?

Im Bereich der Prävention kann die SPD entscheidend zu einer ganzheitlichen Sicherheitspolitikbeitragen. Um es bildlich zu machen: Leute ohne Uniform könne genauso zur Sicherheit beitragen wie Leute in Uniform. Beides ist enorm wichtig und gerade im Bereich der Prävention hat die SPD sicher größere Kompetenzen als die Konkurrenz aus der Union.

Literatur zum Thema:

Das jüngste Buch von Neumann ist auf Englisch erschienen und heißt Radicalized: New Jihadists and the Threat against the West (IB Tauris, 2016). Es handelt sich dabei um eine komplett überarbeitete Version seines deutschen Bestsellers Die neuen Dschihadisten: ISIS, Europa und die nächste Welle des Terrorismus (Econ, October 2015). Sein neuestes deutschsprachiges Buch heißt Der Terror ist unter uns: Dschihadismus und Radikalisierung in Europa (Ullstein, 2016).

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Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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