Inland

Pegida und Co: Gezielte Eskalation in Wort und Tat

Ein Skandal jagt den nächsten: Pegida wie AfD werden in ihren Reden immer radikaler, verbreiten mit ihrer Hetze eine Klima voll Hass. Die Folge: gewalttätige Übergriffe auf der einen, schäumende Reaktionen auf der anderen Seite.
von Robert Kiesel · 3. November 2015
Pegida
Pegida

Sie provozieren, sie beleidigen, sie hetzen. Und sie scheuen vor Vergleichen mit der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte nicht zurück. Weil der bereits wegen Volksverhetzung angeklagte Pegida-Frontmann Lutz Bachmann auf der jüngsten Kundgebung der Islamgegner Justizminister Heiko Maas (SPD) mit NSDAP-Propagandaminister Joseph Goebbels verglich, hagelt es erneut Kritik. Und auch wenn Maas auf eine Strafanzeige verzichten will, steht fest: Pegida und Co drehen weiter an der Eskalationsschraube, aus drastischen Worten werden immer häufiger brutale Taten.

Pegida-Hetze zeigt Wirkung: Journalisten angegriffen

Die Liste ist lang: Allein am vergangenen Wochenende gab es mehrere gezielte Angriffe auf Asylbewerber in Deutschland, die heftigsten davon in Wismar und Magdeburg. Neben Flüchtlingen rückt eine andere Zielgruppe zunehmend in das Visier der lange als „besorgte Bürger“ verharmlosten Fremdenfeinde: Journalisten. Am Freitagabend wurde ein Redakteur des Tagesspiegel in Berlin-Charlottenburg auf offener Straße angegriffen, der flüchtige Täter soll seiner Attacke ein „Du bist doch der Schümann vom Tagesspiegel, du linke Drecksau“ vorausgeschickt haben. Ebenfalls in Berlin wurden am Montagabend Journalisten am Rande einer NPD-Demonstration angegriffen. Einer von ihnen arbeitet für die Berliner Zeitung, außerdem traf es ein Kamerateam der „Welt“. Hinzu kommen zahllose Brandstiftungen an geplanten Unterkünften wie jene im brandenburgischen Spremberg vom Montagmorgen.

Was das zeigt? Die seit Wochen und Monaten weit über Dresden hinaus verbreitete Hetze gegen die „Lügenpresse“, die „linksversifften Medien“ unter der Kontrolle von „Volksverrätern“ sowie die „Flut von Asylschmarotzern“, sie wird mit Taten untermauert. Dabei warnen Experten wie Hajo Funke schon länger vor einer „Entfesselung der Gewalt“. „Wir erleben am rechten Rand eine neue Qualität der Eskalation von Hetze und Gewalt“, erklärte der Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusexperte und einem ARD-Interview. Heiko Maas selbst hatte bereits vor Wochen gewarnt: „Aus Worten werden Taten“.

Nazi-Jargon vom Stile der NPD

Auffällig: Die Hetze von Rechts sucht immer weniger verdeckt die Nähe zur Sprache aus der Zeit des Nationalsozialismus. „Man darf nicht die gesamte AfD über einen Kamm scheren, doch einzelne Mitglieder pflegen eine auffällige Nazi-Rhetorik. Der Rhythmus, das sprachliche Diktum, die Emotionalisierung - es gibt einiges, was stark an die NSDAP-Sprache angelehnt ist." Peter Schlobinski, Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache, bezieht diese Aussage gegenüber dem „Stern“ nicht ohne Grund auf Björn Höcke, Rechtsausleger der AfD und laut Schoblinski „fanatisch in seiner Sprache“. Tatsächlich hatte Höcke zuletzt auf Kundgebungen in Magdeburg und Erfurt die 1000-jährige Geschichte der Orte bemüht und dem „deutschen Volk“ eine Art Schicksalsschlacht in Form eines Bürgerkrieges prophezeit.

Beispiele gibt es genug. So sorgte nicht zuletzt der Auftritt von Akif Pirincci auf der Kundgebung zum einjährigen Jubiläum von Pegida in Dresden für Empörung. Während seiner im Nachhinein selbst von Lutz Bachmann als „Fehler“ bezeichneten Rede hatte Pirincci bedauert, dass die KZ derzeit „leider außer Betrieb“ seien. Zur Erinnerung: Zwei Tage zuvor war in Köln die Bürgermeisterkandidatin Henriette Reker von einem offenbar fremdenfeindlich motivierten Täter lebensgefährlich verletzt worden. Für Hajo Funke eine Zäsur hin zu „einem neuen rechten Terror“.

Fahimi nennt Bachmann einen „wahnsinnigen Faschisten“

Neu ist indes auch die Schärfe, mit der auf verbale Angriffe wie jenen auf Bundesjustizminister Heiko Mass reagiert wird. Gegenüber Spiegel-Online sprach SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi von einer „weiteren beabsichtigten Entgleisung von Pegida“. Der Vergleich zwischen Maas und Goebbels sei „an Hirnlosigkeit nicht zu überbieten“. Bachmann nannte Fahimi einen „wahnsinnigen Faschisten“, der „ekelhafte Rattenfängerei“ betreibe.

Die Vize-Vorsitzenden Ralf Stegner und Torsten Schäfer-Gümbel machten ihrem Ärger über Twitter Luft:

 Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig meinte:

Radikale Sprüche kommen nicht bei allen an

Immerhin, die sich radikalisierende Rhetorik von Pegida und Co führt zumindest derzeit nicht dazu, dass mehr Menschen an der Seite von Lutz Bachmann oder Björn Höcke auf die Straßen gehen. Am Montag folgten dem Demonstrationsaufruf des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses lediglich rund 8000 Menschen, ihre Zahl stagniert seit Wochen. Und auch die AfD, zuletzt in Erfurt mehrfach mit mehreren Tausend Anhängern auf der Straße, musste zuletzt rückläufige Teilnehmerzahlen auf ihren Veranstaltungen hinnehmen. In Berlin kamen bei einer AfD-Demonstration am Wochenende lediglich einige hundert Anhänger zusammen.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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