Inland

Parlament wehrt sich lautstark und geeint gegen AfD-Störaktion

Vor der Abstimmung zum Infektionsschutzgesetz wurden Abgeordnete im Bundestag von Besucher*innen der AfD bedrängt. Kein Versehen, sondern eine geplante Provokation, urteilten alle anderen Parteien am Freitag – mit deutlichen Warnschüssen nach Rechts.
von Benedikt Dittrich · 20. November 2020
„Ziehen sie sich den Schuh an oder nicht“, sagt SPD-Abgeordnete Barbara Hendricks, nachdem sie AfD-Abgeordnete als „Nazis“ bezeichnet hatte – unbeeindruckt von den Beschimpfungen von rechtsaußen.
„Ziehen sie sich den Schuh an oder nicht“, sagt SPD-Abgeordnete Barbara Hendricks, nachdem sie AfD-Abgeordnete als „Nazis“ bezeichnet hatte – unbeeindruckt von den Beschimpfungen von rechtsaußen.

Ob der Vorfall vom Mittwoch noch juristische Konsequenzen für AfD-Abgeordnete und deren Besucher*innen hat, ist noch unklar. Der Ältestenrat hatte sich mit der Störaktion befasst, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble prüft rechtliche Schritte. Unabhängig davon waren am Freitag die Reaktionen der demokratischen Parteien deutlich und die das demokratische Grundverständnis klar.

Gegen diese aus ihrer Sicht klar konzertierten Aktion demonstrierte das Parlament Einigkeit gegen die rechte Partei. Die vorgeschobene Entschuldigung der AfD bezeichnete der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese als „Heuchelei“ sowie „scheinheilig“ und die Aktion an sich als „bewusste Grenzüberschreitung“. Im Vergleich zur Weimarer Republik sei diese Demokratie aber wehrhaft, betonte er. „Wir wissen, wie wir mit Feinden der Demokratie umgehen.“ Gleichzeitig warnte er eindringlich mit Blick auf die damals gescheiterte Demokratie: „Wir müssen uns aufpassen, wehren wir uns diesen Anfängen.“ Die Würde des Menschen ist unantastbar – das habe die AfD bis heute nicht verstanden, so der Sozialdemokrat weiter, der damit auch eine Plakataktion der Fraktion während der Abstimmung am Mittwoch geißelte.

Ausrede und Entschuldigung sorgt für Gelächter

Auch die Politiker*innen der anderen Parteien akzeptierten weder die Ausreden noch eine Entschuldigung des AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland. Man habe nicht damit rechnen können, dass dies passiere, so Gauland am Freitag zu dem Verhalten der geladenen Besucher*innen, der daraufhin lautes Gelächter von zahlreichen Abgeordneten der anderen Parteien erntete.

Wenig verwunderlich, da die Menschen, die auf den Besuchslisten der Abgeordneten der rechten Partei standen und am Mittwoch für die Unruhe gesorgt hatten, im rechten Spektrum bekannt sind und obendrein die Videos aus dem Bundestag angekündigt hatten.

Die Besucher*innen hatten am Mittwoch vor der Abstimmung zum Infektionsschutzgesetz Abgeordnete beschimpft und bedrängt und dabei gefilmt. Besucher*innen, die offensichtlich im Bundestag frei herumliefen, bis die Bundespolizei eingriff und sie aus dem Gebäude brachten. Videos von der Aktion, die zwischenzeitlich im Netz hochgeladen wurden, sind inzwischen wieder verschwunden.

Hendricks: „In ihren Reihen sind Nazis“

Die Abgeordneten erkannten einhellig eine geplante Strategie der AfD hinter den Störaktionen. Barbara Hendricks (SPD) griff deswegen auch ganz bewusst die Fraktion in ihrer Rede an: „Wir wissen, dass in ihren Reihen Nazis sind und wir wissen, dass in ihren Reihen Menschen sind, die so tun, als seien sie Nazis, um der Provokation willen.“ Ein Satz, der wiederum dafür sorgte, dass AfD-Abgeordnete sie lautstark beschimpften. „Ziehen sie sich den Schuh an oder nicht“, antwortete Hendricks daraufhin unbeeindruckt, während Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den niedersächsischen AfD-Abgeordneten Armin Hampel mehrmals zur Ordnung rief. „Bis hin zur Körperhaltung wird hier provoziert, dass man dieses Parlament verachten will“, bilanzierte Hendricks. „Und was Sie nicht selbst erledigen, lassen sie durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswählen, die sie danach auswählen, wer denn wohl der skrupelloseste sei“, schickte sie hinterher. Sie spricht von zahllosen Provokationen und Beschimpfungen, unabhängig von den Vorfällen am Mittwoch, die stattfinden, aber auf eine Art und Weise oder an Orten stattfinden, wo sie nicht dokumentiert werden können.

Die Gefährdung der Demokratie würden die Demokrat*innen in diesem Parlament nicht aber zulassen, schloss Hendricks ihre Rede unter Applaus ab, „und wir wissen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes an unserer Seite.“

Dass die Menschen, die an Covid-19 erkrankten, von der AfD instrumentalisiert werden, bezeichnete Petra Pau von der Linken als „erbärmlich“, Michael Grosse-Brömer von der Union nannte die Störaktion einen „Tiefpunkt der dauerhaften Strategie der AfD“, die Grüne Britta Haßelmann einen „Tabubruch“. Marco Buschmann von der FDP kündigte im Einklang damit an, man werde alle bestehenden rechtlichen Instrumente nutzen, um sich gegen dieses Verhalten zu wehren – und bei Bedarf diese Instrumente auch erweitern, sollten sie nicht ausreichen.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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