Paritätischer Wohlfahrtsverband sieht sozialen Zusammenhalt gefährdet
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Beinahe 90 Prozent der Bevölkerung sorgen sich um den sozialen Zusammenhalt in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt das Jahresgutachten zur sozialen Ungleichheit des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. „Wir haben einen erheblichen Handlungsbedarf, und der liegt in der Stärkung des sozialen Zusammenhalts durch eine bessere offensive Sozialpolitik, die ihren Schwerpunkt auf vernachlässigte Gruppen und Sozialräume legt“, sagte der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbands Rolf Rosenbrock. Von der ausgezeichneten wirtschaftlichen Lage in Deutschland profitierten zu wenige Menschen.
Kurswechsel gefordert
Laut dem Gutachten verdienen gegenwärtig 22,6 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland weniger als 10,50 Euro in der Stunde. Gleichzeitig schütze der Mindestlohn in vielen Fällen nicht vor Armut. „Rund ein Viertel der Beschäftigten arbeitet heute im Niedriglohnsektor“, heißt es. Außerdem funktioniere bei Leiharbeit und Minijobs der angestrebte Wechsel der Angestellten in reguläre, sozialversicherungspflichtige Jobs oftmals nicht. Zudem seien 9,5 Prozent der Menschen auf eine Mindestsicherung wie beispielsweise Hartz IV angewiesen.
Der Verband begrüßt, dass die Bundesregierung die Stärkung des sozialen Zusammenhalts als vorrangiges Ziel formuliert habe. Laut dem Gutachten sind „erste Konturen eines Richtungswechsels“ zu erkennen, allerdings bedürfe es einer grundlegenden Änderung der Sozialpolitik. „Wir brauchen einen radikalen Kurswechsel hin zu einer umfassenden Politik für gute Arbeit und soziale Teilhabe. Vor allem brauchen wir mehr bessere und höhere Löhne in guten Arbeitsverhältnissen.“
Angestoßene Vorhaben
Insbesondere bei der Langzeitarbeitslosigkeit und der Bekämpfung von Altersarmut sieht der Paritätische Wohlfahrtsverband Handlungsbedarf. So fordert er beispielsweise einen höheren Mindestlohn, eine längere Dauer des Arbeitslosengeldes, mehr Grundsicherungsleistungen sowie eine gestärkte Rentenversicherung. Außerdem solle mehr in den Gesundheitsbereich, in Angebote für Kinder und Jugendliche sowie soziale Beratungsdienstleistungen investiert werden.
Angesichts des Jahresgutachtens verwies das Ministerium von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf die im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben. Angestoßen sei bereits das Teilhabechancengesetz, mit dem arbeitsmarktferne Menschen in den Arbeitsalltag und damit wieder in Beschäftigung eingegliedert werden sollen. Ebenfalls in Arbeit seien ein Rentenpakt für höhere und gerechtere Renten, eine Entlastung von Geringverdienern bei den Sozialversicherungsbeiträgen und die Pläne für eine Grundrente. Ebenfalls sei ein Dialog über die Zukunft der sozialen Sicherung in Deutschland geplant. „Das wirksamste Mittel gegen Armut und Armutsgefährdung ist die Integration in den Arbeitsmarkt bei fairen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen“, so ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums.
SPD stärkt den Zusammenhalt
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast sagte zum Jahresgutachten des Paritätischen Wohlfahrtsverbands: „Die SPD hat Regierungsverantwortung übernommen, um die Solidarität und den Zusammenhalt in unserem Land zu stärken. Ob Brückenteilzeit, Kampf gegen Kinder- und Altersarmut, sozialer Arbeitsmarkt, Gute-Kita-Gesetz, Entlastung von Familien oder die Stabilisierung der Rente: Nur durch unsere Regierungsbeteiligung verbessern wir das Leben der Menschen im Alltag ganz konkret.“ Die SPD schaffe Zuversicht und stärke den gesellschaftlichen Zusammenhalt.