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Paradise Papers: Wolfgang Schäuble als „Schutzpatron der Steuervermeider“

Von der Queen bis zum U2-Sänger Bono – die „Paradise Papers“ offenbaren die Steuertricks der Superreichen. Auch Deutsche sind an den dubiosen Finanzgeschäften beteiligt. Die SPD macht Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble mitverantwortlich und fordert Konsequenzen.
von Paul Starzmann · 6. November 2017
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Es ist ein journalistisches Projekt der Superlative – die „Paradise Papers“: 13,4 Millionen Dokumente haben fast 400 Reporter aus mehr als 70 Ländern ein Jahr lang ausgewertet. Gefunden haben sie ein Schattenreich der Millionäre, ein Dickicht aus dunklen Kanälen, schwarzen Kassen und versteckten Konten. 600 Milliarden Euro schmuggeln Finanzjongleure jedes Jahr am Fiskus vorbei, gut eine Million Euro pro Minute. Sie verschieben das Geld an Orte mit wohklingenden Namen wie St. Lucia, Barbados oder Vanuatu. Alleine der EU gehen dadurch jährlich 60 Milliarden Euro Steuereinnahmen verloren – Geld, das andernorts fehlt.

Nike, Apple und deutsche Unternehmer

„Konzerne wie Nike oder Apple nutzen die Intransparenz von Steueroasen und anonymen Briefkastenfirmen, um ihre Steuerlast auf ein Minimum zu reduzieren,“ sagt Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Sie entziehen damit den Staaten die Mittel für die Finanzierung dringender öffentlicher Aufgaben.“ Laut „Süddeutscher Zeitung“ werden zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts in Steueroasen geparkt. Auch Prominente wie Queen Elizabeth oder der U2-Sänger Bono haben einen Teil ihres Vermögens in Briefkastenfirmen investiert. Ebenso beteiligen sich deutsche Unternehmen an der gut organisierten Massenflucht in die Steuerparadiese.

Den SPD-Bundestagsabgeordneten Andreas Schwarz überrascht das nicht. „Das Erschütternde an den Enthüllungen ist nicht nur das Ausmaß, in dem sich selbst ernannte Eliten in unserem Land vor ihrer Verantwortung drücken, sondern dass viele der Methoden uns lange bekannt sind,“ sagt er. In der vergangenen Legislaturperiode habe die Union jedoch alles blockiert, was die SPD zur Vermeidung der Steuerflucht vorgeschlagen habe. „Insbesondere in den Bereichen der Umsatzsteuer und der Gewerbesteuer hat das Bundesfinanzministerium jeden Fortschritt in der Betrugsbekämpfung verweigert“, so Schwarz. Wolfgang Schäuble sei „in den letzten acht Jahren der Schutzpatron der Steuervermeider auf nationaler Ebene“ gewesen.

SPD will härteres Vorgehen gegen Banken

„Unter Schäuble ist da in den vergangenen Jahren wirklich wenig passiert“, sagt auch die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kızıltepe über den Kampf gegen Steuerhinterziehung. Die Bundestagsabgeordnete fordert eine Reihe an Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung des Steuerbetrugs. „Wir müssen strenger und lückenlos gegen Berater-Banken vorgehen, die sich an Steuerhinterziehung beteiligen“, sagt sie. „Da muss man auch mal über Lizenzentzug nachdenken.“ Auch will sie längere Verjährungsfristen für Steuerstraftaten durchsetzen und die Fahndung nach hochkarätigen Steuersündern ausweiten. „Damit endlich Gesetze für Reiche gemacht werden, denn für die gibt es bislang gar keine Gesetze.“

Die Stärkung der Steuerfahndung hält auch Lothar Binding für entscheidend, soll der Kampf gegen die Briefkastenfirmen zum Erfolg führen. Ein Hauptproblem, so der Finanzexperte: Informationsmängel bei den Behörden. „Die Finanzämter wissen viel zu wenig von einander“, sagt er im Gespräch mit vorwärts.de. Sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene funktioniere der Datenaustausch mehr schlecht als recht. „Und das ist natürlich ein Scheunentor für jeden Gauner.“

Lothar Binding: Konkurrenz der EU-Staaten beenden

Doch es sind nicht nur die Briefkastenfirmen in Übersee, die den deutschen Fiskus vor Herausforderungen stellen. Auch in Europa gibt es Steueroasen, nicht nur in Malta oder auf der britischen Isle of Man, sondern auch in Irland, das Firmen mit niedrigen Steuersätzen lockt. Dem europäischen „Steuerwettbewerb“ will die SPD daher einen Riegel vorschieben. Die nächste Bundesregierung müsse sich „nachdrücklich für eine EU-weite Steuerharmonisierung einsetzen“, fordert Cansel Kızıltepe.

Die „Konkurrenz der EU-Staaten in Steuerfragen beenden“, das will auch Lothar Binding. Dafür werde sich die SPD in der neuen Legislaturperiode stark machen, verspricht er. In der großen Koalition sei seine Partei an die Auflagen des Koalitionsvertrags gebunden gewesen. In der Opposition könne sie in der Finanzpolitik nun freier agieren – die SPD werde den Kampf gegen Steuerhinterziehung nun um einiges härter führen können als bisher, kündigt Binding an: „Weil wir jetzt endlich unsere Vorschläge ohne das Korsett Koalitionsvertrag entfalten können.“

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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