Panama Papers: Steuerhinterziehung kostet 50 Milliarden Euro im Jahr
Steuerhinterziehung von Privatpersonen und Unternehmen kosten den deutschen Staat jährlich etwa 50 Milliarden Euro. Das legen Schätzungen von Steuerexperten nahe, die in der Veröffentlichung der sogenannten Panama Papers nur die „Spitze des Eisbergs“ sehen. Treffen ihre Schätzungen zu, entspricht die Summe des jährlichen Steuerausfalls knapp einem Sechstel der Gesamteinnahmen des Bundes – pro Jahr. Der aktuelle Bundeshaushalt umfasst 317 Milliarden Euro für 2016.
Experte: Panama Papers zeigen nur „Spitze des Eisbergs“
„Ich gehe davon aus, dass dem deutschen Staat durch Steuerhinterziehung jährlich ein Schaden von 50 Milliarden Euro entsteht“, erklärte Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft gegenüber vorwärts.de. Zehn dieser 50 Milliarden Euro gehen seiner Einschätzung nach auf das Konto sogenannter Off-Shore-Firmen, die im Zentrum der unter dem Titel „Panama Papers“ zusammengefassten Veröffentlichungen stehen.
Eigenthaler erinnerte daran, dass die massenhafte Gründung von Briefkastenfirmen, wie die jetzt in Panama öffentlich gewordenen, kein neues Phänomen sei. „Früher gab es diese Oasen im Herzen von Europa“, erklärte Eigenthaler und nannte konkret die Länder Lichtenstein, Luxemburg und die Schweiz. „Die Nummernkonten in der Schweiz sind de facto nichts anderes“, so Eigenthaler weiter. Angesichts des nun bekannt gewordenen „Massenphänomens an einem kleinen Ort“ ist der Steuerexperte davon überzeugt, dass die jüngsten Veröffentlichungen nur die „Spitze des Eisbergs“ freigelegt hätten: „Es handelt sich nicht nur um eine Krankheit, sondern um ein richtiggehendes Krebsgeschwür, das sich ausbreitet.“
Klima für Steuerhinterzieher wird „ungemütlich“
Auf ähnlichem Niveau bewegen sich die Schätzungen von Friedrich Schneider zur Summe der jährlich in Deutschland hinterzogenen Steuern. „Im Bereich der Schwarzarbeit liegt der Schaden bei 30 bis 40 Milliarden Euro pro Jahr. Auf die klassische Steuerhinterziehung entfallen zehn bis 12 Milliarden Euro“, schätzt Schneider. Der an der Universität Linz forschende Ökonom gilt als Fachmann im Bereich der Schattenwirtschaft, Steuerhinterziehung und organisierten Kriminalität. Seine Schätzungen beruhen auf eigenen Untersuchungen zur Schattenwirtschaft in den vergangenen 30 Jahren. Andere Schätzungen wie die des „tax justice network“, die von deutlich höheren Summen hinterzogener Steuern ausgehen, nannte Schneider dagegen „hanebüchen“.
Zu Panama Papers und Steuerhinterziehung befragt, erklärte Janine von Wolfersdorff vom Institut für Finanzen und Steuern gegenüber vorwärts.de: „Steuerhinterziehung hat es immer gegeben und wird es immer geben.“ Der weltweite Informationsaustausch über Konten und Finanzbeziehungen mache das Klima für Steuerhinterzieher aber zunehmend „ungemütlich“. „Es wird viel gemacht“, sagte von Wolfersdorff mit Blick auf Kontrollbehörden und Bundesfinanzministerium. „Untätigkeit“ könne man beiden nicht vorwerfen.
Steuerhinterziehung kein Elitenproblem
Auf die Forderung des nordrhein-westfälischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans, das Unternehmensstrafrecht zu verschärfen, reagierte sie dagegen kritisch: „Das geht an der Sache vorbei, weil Steuerhinterziehung immer vorsätzlich betrieben werden muss“, so von Wolfersdorff. Sie warnte vor einer „Schieflage“ in der Diskussion und Berichterstattung, die „sozialen Unfrieden“ sähe. „Steuerhinterziehung ist ein Phänomen, das nicht nur ‚die da oben’ betrifft“, so von Wolfersdorff.