Inland

Österreich als Vorbild: DGB fordert gesetzliche Ausbildungsgarantie

Nur noch 20 Prozent aller Betriebe in Deutschland bilden aus. Die Corona-Krise wird die Situation noch verschärfen. Der DGB fordert eine Ausbildungsgarantie nach österreichischem Modell.
von Vera Rosigkeit · 27. August 2020

Wer Fachkräfte will, muss ausbilden. Doch die duale Berufsausbildung steckte schon vor der Corona-Pandemie in der Krise. Stand heute seien mehr als zwei Millionen Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss, sagt DGB-Vize Elke Hannack am Donnerstag bei der Vorstellung des DGB-Ausbildungsreports 2020. „Die Zahl der Betriebe, die überhaupt noch ausbilden, liegt mittlerweile bei unter 20 Prozent.“

Ausbildungsverträge im Sinkflug

Mit der sinkenden Anzahl der Ausbildungsbetriebe sinkt auch die Zahl der Ausbildungsverträge: Von rund 564.000 in 2009 auf 525.000 in 2019. Für das aktuelle Jahr rechnet das Bundesinstitut für Berufliche Bildung damit, dass sich die Zahl der Ausbildungen auf 456.000 verringern könnte. Laut Hannack verzeichnet das Handwerk einen Rückgang an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und nach Statistik der Bundesagentur ist die Zahl der Jugendlichen, die sie in eine Ausbildung vermittelt hat, um 18 Prozent gesunken.

Doch auch um die Situation der Azubis steht es nicht zum Besten. Bereits vor Corona waren „Mängel in der Ausbildung“ ein Thema. Mehr als ein Drittel der rund 13.000 Auszubildenden, die noch vor der Krise befragt wurden, gaben an, dass ihnen kein Ausbildungsplan vorliege oder sie ausbildungsfremde Tätigkeiten erledigen müssten, betont Bundesjugendsekretärin Manuela Conte zur Auswertung des Reports. Erste Anzeichen in den Betrieben ließen darauf schließen, dass sich die Qualität unter Corona nicht verbessern werde.

Qualität muss auch unter Corona stimmen

Als Beispiel zitiert Conte eine Auszubildende, die von ihrem Betrieb gerade einmal zwei Stunden in der Woche für ein Homeschooling der Berufsschule freigestellt wurde. Und eine weitere, die seit Beginn der Pandemie als Aushilfskraft in Museen eingesetzt werde und seit Monaten nichts Neues dazu lerne. Arbeitgeber*innen seien in der Verantwortung, betont Conte. Sie müssten ihre Auszubildenden für den Digitalunterricht der Berufsschulen freistellen, denn „die Ausbildungsqualität muss auch in Corona-Zeiten stimmen“.

Da die Corona-Krise den digitalen Nachholbedarf deutlich gemacht habe, müsse der Digitalpakt Schule nun schnellstens umgesetzt werden. Tatsächlich schneide die Qualität der Berufsschulbildung in der Beurteilung der Azubis besonders schlecht ab. 43 Prozent der Auszubildenden bewerteten sie mit befriedigend bis mangelhaft. „Es fehlen Lehrkräfte. Es fehlt technische Ausstattung. Es fehlt sogar an Bausubstanz“, so Conte.

Duale Berufsausbildung systemrelevant

DGB-Vize Hannack fordert von Bund und Ländern einen Pakt für Berufliche Schulen zu schließen, die ihrer Meinung nach noch immer ein Schattendasein in der Bildungspolitik führten. An die Unternehmen appelliert sie, die von der Bundesregierung mit ihrem Programm „Ausbildungsplätze sichern“ zur Verfügung gestellten finanziellen Hilfen und Anreize auch zu nutzen. „Wer ausbildet, gewinnt dadurch auch Fachkräfte. Ich kann die Unternehmen nur warnen, jetzt bei der Ausbildung zu sparen.“ Darüber hinaus fordert Hannack eine Ausbildungsgarantie nach österreichischem Modell. Das sehe vor, dass alle Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, notfalls das erste Ausbildungsjahr bei einem Träger starten können, erklärt Hannack. Jetzt zeige sich ganz klar: „Auch die duale Berufsausbildung ist systemrelevant.“

Der 15. Ausbildungsreport des DGB befasst sich zudem mit den Themen „Mobilität und Wohnen“. Denn auch die Lebenssituation von Auszubildenden habe sich verändert, sagt Conte. Diese seien in Deutschland mit Beginn ihrer Ausbildung rund 20 Jahre alt. Der Schritt in die Ausbildung sei somit auch ein Schritt in die Selbstständigkeit. Doch die Unabhängigkeit von den Eltern scheitere oft bereits am angespannten Wohnungsmarkt. Mehr als 65 Prozent würden gerne in die eigene Wohnung ziehen, doch nur 27 Prozent könnten dieses Ziel erreichen, sagt sie. Nicht zuletzt deshalb stehe eben auch ein kostengünstiges Azubi-Ticket und ein Personennahverkehr, der funktioniere, ganz oben auf der Wunschliste der befragten Jugendlichen. Viele Ausbildungsberufe müssten endlich aufgewertet werden, fordert sie. „Bessere Perspektiven und mehr Wertschätzung sind hier die Stichworte“.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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