Osterpaket wird umgesetzt: So wird der Ausbau der Erneuerbaren Pflicht
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Als Matthias Miersch am Dienstag auf die bevorstehenden Beschlüsse im Bundestag zum Ausbau der Erneuerbaren Energien zu sprechen kommt, ist er um deutliche Aussagen nicht verlegen. „Wir können feststellen, dass die Ampel-Koalition das größte Paket seit Bestehen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beschließen wird“, sagt der SPD-Fraktionsvize im Bundestag vor Journalist*innen. Den Erneuerbaren Energien werde nun endlich das notwendige übergeordnete Interesse eingeräumt. „Die gesetzgeberischen Fragen sind nun geklärt“, sagt Miersch. Das gelte auch mit Blick auf Natur- und Denkmalschutz. Diese müssten im Zweifel hintanstehen. Die entsprechenden Gesetze haben in diesen Tagen die entsprechenden Ausschüsse passiert, Ende der Woche steht die Abstimmung im Bundestag an.
Vorfahrt für Windkraft an Land
Dem SPD-Politiker, der sich schon in der großen Koalition mit der Union immer wieder über den Ausbau der Erneuerbaren gestritten hatte, ist aber vor allem ein Punkt wichtig: das Zwei-Prozent-Ziel. Zwei Prozent der Landesfläche Deutschlands will die Bundesregierung für den Bau von Windkraftanlagen ausweisen, soviel wird auch als notwendig angesehen. Zwei Prozent, die jedes Bundesland für sich gesehen erfüllen soll. Diese Vorgabe an sich ist nicht neu, sie gilt schon seit vielen Jahren. Nur: In Sachen Verbindlichkeit hakte es bisher.
Länder wie Nordrhein-Westfalen mit hohen Abstandsregeln für Windkraftanlagen oder Bayern mit seiner „10-H-Regel“, die den Abstand von Windrädern zu Häusern festlegt, aber auch Baden-Württemberg mit seinem schleppenden Ausbau gehören seit einigen Jahren zu den Schlusslichtern, während in Norddeutschland die Zielmarken teilweise schon erreicht oder bald erreicht sein dürften.
Mit dieser Ungleichheit soll mit dem Gesetzespaket nun Schluss sein, das der Bundestag voraussichtlich am Freitag beschließen wird. Denn: Wenn das Zwei-Prozent-Ziel mit den bisherigen Regeln auf Landesebene nicht erreicht wird, sollen solche Abstandsregeln, die Miersch als „Verhinderungsplanung“ bezeichnet, künftig entfallen. Kann Bayern also nicht nachweisen, dass die Ausbauziele im Freistaat erreicht werden, sollen bisherige Hürden fallen. Darunter würde wohl auch die 10-H-Regel fallen, die vorschreibt, dass eine Windkraftanlage nur in zehnfacher Entfernung ihrer Höhe zu Häusern gebaut werden darf. Bei aktuellen Anlagen entspricht das einer Entfernung von mehr als einem Kilometer. Auch den Ersatz von kleinen, älteren Windkraftanlagen durch größere, leistungsfähigere in den Windparks (das sogenannte Repowering) wird damit bisher zusätzlich erschwert.
Ein Aspekt, den auch Bengt Bergt in den Mittelpunkt stellt: „Das ist ein wesentlicher Schlüssel zur Beschleunigung des Ausbaus“, meint der stellvertretende klima- und energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Wir erleichtern, dass alte Anlagen gegen neue, leistungsstärkere ausgetauscht werden.“
„Wir brauchen jede Kilowattstunde Erneuerbarer Energie“, ergänzt die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer. „Mit den nun gesetzlich geregelten Flächenzielen werden in jedem Bundesland die Chancen der Energiewende nutzbar gemacht.“
Vorrang vor Naturschutz
Weitere Hürden sollen auch beim Natur- und Denkmalschutz fallen, indem dem Ausbau der Erneuerbaren Energien – also vor allem Windkraft und Solaranlagen – ein Vorrang eingeräumt wird. Auch Bürokratie bei der Genehmigung, zum Beispiel bei großen Solaranlagen auf dem Dach oder von Mieterstrom-Konzepten, sollen abgebaut werden. Künftig soll es so geregelt sein, „dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient“, wie es im Gesetzentwurf heißt. Daraus ergibt sich ein Vorrang für den Bau solcher Anlagen.
Fraktionsvize Miersch sieht das Gesetzespaket auch in direktem Zusammenhang mit der aktuellen Krise im Energiesektor. „Diese Dramatik kann nur mit einem massiven Ausbau von Erneuerbaren Energien beseitigt werden“, ist Miersch überzeugt. Dass schon in der ersten Jahreshälfte rund 50 Prozent des Stroms in Deutschland aus Erneuerbaren Quellen stammte, sei dabei ein „wichtiges Signal“.
„Wir haben immer über Zielmargen diskutiert“, meint der Sozialdemokrat, „aber das Zentrale ist, dass wir jetzt durch ganz konkrete Schritte das Maximale rausholen werden“. Im Laufe des Jahres sollen deshalb weitere Gesetzepakete folgen sollen, die den Ausbau weiter beschleunigen – auf das Osterpaket werden also ein Sommer- und ein Herbstpaket folgen.