Inland

Orientierungsdebatte im Bundestag: Kommt die Corona-Impfpflicht?

Im Bundestag wird erstmals über eine Impfpflicht gegen Corona debattiert. Eine hohe Impfquote kann die Pandemie beenden, darüber sind sich viele Redner*innen einig. Über den besten Weg aber wurde fast vier Stunden diskutiert, sachlich bis emotional.
von Benedikt Dittrich · 26. Januar 2022
Im Bundestag wurde am Mittwoch erstmals über eine mögliche Impfpflicht gegen das Coronavirus diskutiert.
Im Bundestag wurde am Mittwoch erstmals über eine mögliche Impfpflicht gegen das Coronavirus diskutiert.

Das erste Wort hat am Mittwoch die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Schmidt. Sie ist die erste, die nach den einleitenden Worten von Bundestagspräsidentin am Rednerpult steht. Bärbel Bas (SPD) hatte sich zuvor eine faire, respektvolle und konstruktive Debatte gewünscht – unter anderem weil die Menschen in diesen Zeiten von den Abgeordneten im Bundestag Orientierung erwarten würden.

„Ich bin froh und dankbar, dass wir die Debatte zur Impfpflicht heute hier führen“, sagt Schmidt. Innerhalb der SPD gehört sie zu denjenigen, die an einem Gruppenantrag zu einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 arbeiten. Warum sie für eine solche Impfpflicht ist, begründet sie in ihrer vierminütigen Rede: Für sie ist eine hohe Impfquote der beste Weg aus der Pandemie. „Wir reden nicht über Impfpflicht ja oder nein, sondern über Alternativen im Umgang mit der Pandemie“, erklärt sie ihre Sicht weiter. Die Pandemie laufen lassen oder im kommenden Herbst wieder Kontaktbeschränkungen bis hin zu einem erneuten Lockdown sind für Schmidt jedenfalls keine Alternativen. „Und deswegen brauchen wir eine allgemeine Impfpflicht“, schlussfolgert sie.

Impfpflicht: Debatte zwischen notwendig und verhältnismäßig

Emotionaler antwortet die zweite Fürsprecherin einer allgemeinen Impfpflicht ab 18, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens: „Eine allgemeine Impfpflicht sendet die Botschaft: Wir alle stehen gemeinsam in der Verantwortung für die, die in unseren Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ungemein belastet sind“, sagt sie im Bundestag. Das Virus nehme schließlich keine Rücksicht auf Skepsis oder Trotz, so die Sozialdemokratin, die die Abgeordneten im Bundestag daran erinnert, dass die Menschen von der Politik Orientierung erwarteten – auch in Zeiten einer ungewissen Zukunft: „Einen weiteren unkontrollierten Pandemieherbst darf es nicht geben.“

Im Verlauf der mehrstündigen Debatte zeigt sich schnell: Einen einheitlichen Kurs, eine einhellige Meinung gibt es beim Thema Impfpflicht im Bundestag nicht. Die Parteien hatten sich zuvor darauf geeinigt, eine mögliche Entscheidung über eine Impfpflicht zur Gewissensfrage zu erklären – einen Fraktionszwang gibt es bei dem Thema nicht – was aber auch den Weg frei macht für parteiübergreifende, gemeinsame Vorschläge. Drei verschiedene gibt es beim Thema Impfpflicht zurzeit, an denen gearbeitet wird.

Und so plädieren andere Abgeordnete auch für eine beschränkte Impfpflicht für Menschen ab einem Alter von 50 Jahren. Die sächsische Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta warnt beispielsweise davor, dass eine allgemeine Impfpflicht möglicherweise eine weitere Radikalisierung in manch einem Bundesland bedeuten könne statt der erhofften Befriedung. Deswegen plädiert sie für den Mittelweg, den auch Andrew Ullmann (FDP) befürwortet und als Gruppenantrag vorantreibt: Er hält die Impfpflicht gegen das Coronavirus ab einem Alter von 50 Jahren für einen ebenso effektiven Schutz vor einem erneuten schwierigen Verlauf der Pandemie – verbunden allerdings mit einem verpflichtenden Aufklärungsgespräch zur Impfung für alle Menschen in Deutschland.

Hitzige Debatte an Detailfragen und Umsetzung

Es sind auch juristische Fragen, und Detailfragen, die im weiteren Verlauf debattiert werden. Solche nach der Verhältnismäßigkeit oder auch solche nach der Umsetzung mittels Kontrollen und Strafen bei Verstößen gegen die Impfpflicht. Wolfgang Kubicki von der FDP als einer der größten Gegner*innen einer Impfpflicht bezeichnet die Impfung gegen das Coronavirus als „vernünftig“, will aber anderen Menschen nicht vorschreiben, was sie für vernünftig zu halten haben. Er meldet aber auch juristische Bedenken an, weil es aus seiner Sicht keine Gewissheit gibt, dass die Impfung das Gesundheitssystem vor Überlastung und die Bevölkerung vor weiteren Infektionen schütze. Damit ist er sich auch grundsätzlich auch mit der Impfpflicht-Befürworterin Baehrens einig – nur kommt diese zu einem anderen Schluss: „Diese Ungewissheit darf nicht zur Tatenlosigkeit führen.“

Doch auch die Umsetzung wirft weiterhin Fragen auf, worauf auch Martina Stamm-Fiebich hinweist: Die Sozialdemokratin plädiert für ein zentrales Impfregister, auch um Menschen besser ansprechen zu können. Dass die Pflicht jetzt offenbar der „letzte Ausweg“ ist, bedauert die SPD-Abgeordnete: „Hätte mir gewünscht, dass wir es gemeinsam auch ohne Impfpflicht aus dieser Pandemie herausschaffen.“

Während Politiker*innen der Partei die Linke vor einer Ungleichbehandlung bei möglichen Strafen warnten oder kritisierten, dass andere Parteien die Menschen in den vergangenen Monaten unnötig verunsichert hatten, arbeiteten sich vor allem die Unions-Abgeordneten daran ab, dass die Bundesregierung keinen eigenen Vorschlag für eine Impfpflicht gemacht hat. Einig sind sich viele Redner*innen quer durch die Parteien aber – mit Ausnahme der rechtsradikale AfD – Die derzeitige Impfquote reiche für einen Weg aus der Pandemie nicht aus. Wie diese Quote am besten erhöht werden kann, darüber herrscht am Mittwoch noch keine Einigkeit.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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