NSU-Prozess: Mordzeugin identifizierte Mundlos und Böhnhardt
Mit dem Mord an Ismail Yaşar 2005 in Nürnberg war der NSU-Prozess vor vier Wochen in die Sommerpause gegangen. Mit demselben Fall nahm das Gericht unter Vorsitz von Manfred Götzl die Verhandlung in dieser Woche wieder auf. Auch um die Aussagen von Holger G. ging es noch einmal.
Das Ende der Sommerpause im NSU-Prozess war mit Spannung erwartet worden. Hatte Richter Manfred Götzl doch Holger G. zuletzt ermahnt, dass seine bisherige Haltung zu wenig sein könnte, um die Kronzeugenregelung bei der Urteilsfindung anzuwenden. Holger G. hatte zwar vor der Polizei umfänglich ausgesagt – doch vor Gericht will er bislang nichts weiter sagen. Daran halten er und seine Anwälte fest.
Lediglich zu Beginn des Prozesses hatte Holger G. eine vorbereitete elfseitige Erklärung verlesen, zu der er keine Nachfragen gestattete. Darin hatte er eingeräumt, dass er das NSU-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit zwei Pässen, einem Führerschein, einer ADAC-Mitgliedskarte und drei Krankenkassenkarten unterstützt habe. Außerdem habe er im Auftrag des Mitangeklagten Ralf Wohlleben dem Trio 2001 eine Pistole übergeben. Von den terroristischen Plänen seiner drei Jugendfreunde will er nichts gewusst haben.
Um die Vernehmungen von Holger G. vor Gericht nutzen zu können, müssen sie nun mühsam durch die Aussagen von Beamten, die dabei waren, in den Prozess eingeführt werden. Zu Beginn der 13. Verhandlungswoche wurde deshalb ein BKA-Ermittler als Zeuge gehört, der mit Holger G. 2011 nach Zwickau geflogen war, um die Übergabe der Pistole an das Trio zu rekonstruieren. Der Grund dafür war, dass sich G. nicht mehr an die damalige Adresse des Trios erinnern konnte. Er wusste jedoch noch den Weg vom Bahnhof zum Versteck seiner Freunde, wo die Waffenübergabe stattgefunden hatte.
„Kripo Live“ und Kölner Überwachungsvideos
Bevor sich das Gericht wieder dem Mord an Ismail Yaşar 2005 in Nürnberg zuwendete, gab es noch genügend Zeit, um einige Videos als Beweismittel in den Prozess einzuführen. So sah das Gericht einen Fahndungsaufruf aus der MDR-Sendung „Kripo Live“ vom Februar 1998, der Anfangszeit des NSU-Trios. Es folgten Amateuraufnahmen des brennenden Hauses in der Zwickauer Frühlingsstraße und Fotos, die Nachbarn im November 2011 gemacht hatten. Mitschnitte der Notrufe, die bei der Feuerwehr Zwickau eingegangen waren, schlossen sich an. Dann kamen Aufnahmen von Überwachungskameras in der Kölner Keupstraße vom 9. Juni 2004, die mutmaßlich Mundlos und Böhnhardt kurz vor dem Nagelbomben-Anschlag zeigten.
Mord an Ismail Yaşar
Der Rest der Verhandlungswoche drehte es sich um Ismail Yaşar. Der Betreiber eines Döner-Standes in Nürnberg in der Scharrerstraße war mutmaßlich von Böhnhardt und Mundlos am 9. Juni 2005 erschossen worden. Fünf Schüsse aus einer Ceska 83 waren auf ihn abgegeben worden. Eine Kugel hatte sein Ohrläppchen gestreift, die zweite den sich duckenden Mann in die Wange getroffen. Den zusammengebrochenen 50-Jährigen hatten drei weitere Kugeln in die Brust getroffen, eine davon war tödlich. Vor der Sommerpause waren sechs Polizeibeamte, die mit den Ermittlungen betraut waren, vernommen worden. Nun folgten weitere Zeugen.
Eine Musiklehrerin hatte kurz vor dem Mordanschlag zwei „schwarz gekleidete junge Männer“ mit Fahrrädern am Döner-Stand gesehen. Sie erzählte, dass sie wegen des Verkehrs mit dem Auto kurz stoppen musste. Einer der beiden jungen Männer habe sie angeblickt, geradezu fixiert. Er sei sehr angespannt gewesen. In seinen Augen habe sie gesehen, dass er „nichts Gutes“ vorhabe. Allerdings konnte sie weder Mundlos noch Böhnhardt identifizieren. Etwas später habe sie vier bis fünf Geräusche gehört „Bumm – Bumm – Bummbummbumm“ habe es gemacht. Wahrscheinlich waren dies die Todesschüsse auf Yaşar.
Zwei junge Männer mit Fahrrädern
Eine andere Zeugin war zur Tatzeit mit dem Rad unterwegs. Sie habe zunächst zwei junge Männer mit Fahrrädern gesehen, die auf einem Stadtplan etwas suchten. Zwanzig Minuten später habe sie die beiden Männer erneut getroffen – direkt vor Yaşars Döner-Stand. Einer habe gerade eine gelbe Plastiktüte mit bunter Aufschrift in den Rucksack des anderen gesteckt. Darin sei ein etwa 20 Zentimeter langer Gegenstand eingewickelt gewesen. Sie sei direkt an ihnen vorbeigeradelt und habe sie gut erkennen können. Sogar Phantombilder wurden von der Polizei auf Grund ihrer Aussage angefertigt. Später wurden ihr die Überwachungsvideos aus der Keupstraße gezeigt. „Ziemlich sicher“ habe sie die beiden Täter aus Nürnberg wiedererkannt. Doch die Ermittler gingen diesem deutlichen Hinweis nicht mit Nachdruck nach.
Am Freitagnachmittag sollten noch einige weitere Zeugen zum Fall Yaşar vernommen werden. Am 17. September wird die Verhandlung fortgesetzt.