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NSU-Prozess: Der lange Weg zur Aufklärung

Der NSU-Prozess ist in seine dritte Sommerpause gegangen. Vier Wochen lang ist nun erstmal Ruhe. Zuletzt bestimmte der Streit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe mit ihren Anwälten den Prozess. Wo steht das Mammut-Verfahren?
von Thomas Horsmann · 7. August 2015
NSU-Prozess
NSU-Prozess

Ist der Prozess durch den Streit Zschäpes mit ihren Anwälten bedroht? Trotz der großen Aufregung in den vergangenen Wochen war die Gefahr nicht besonders groß, zumal der Vorsitzende Richter Manfred Götzl den Prozess souverän im Griff hat. Er lehnte die Anträge Zschäpes und ihrer Verteidiger nüchtern und mit glasklaren Argumenten ab.

Befindlichkeiten Zschäpes beherrschen den NSU-Prozess

Folgendes war geschehen: Der Streit Zschäpes mit ihren drei Anwälten Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm war in den letzten Wochen eskaliert. Das anfangs so traute Verhältnis der Hauptangeklagten mit ihren drei Pflichtverteidigern war bereits seit einem Jahr angespannt. Zu Beginn des Sommers jedoch forderte Zschäpe die Entlassung von Anwältin Sturm, kurz darauf wollte sie alle drei Pflichtverteidiger loswerden, weil das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört sei.

Wie bereits im vergangenen Jahr lehnt das Gericht dies wegen fehlender stichhaltiger Begründung ab. Es folgte eine Strafanzeige gegen Sturm, Heer und Stahl wegen angeblicher Verletzung von Privatgeheimnissen. Die Staatsanwaltschaft lehnt jedoch die Aufnahme von Ermittlungen mangels Straftat ab. Das einzige, was Zschäpe durchsetzen konnte, war die Bestellung eines vierten Pflichtverteidigers, Mathias Grasel, und eine Änderung der Sitzordnung, damit sie neben Grasel Platz nehmen konnte. Nun scherzt Zschäpe mit ihrem neuen Anwalt und ignoriert die anderen drei völlig.

Schweigen bis zum Schluss

Grund für die Eskalation war wohl, dass Zschäpe immer stärker durch Zeugenaussagen belastet wurde und mit einer langjährigen Gefängnisstrafe rechnen muss. Mit ihren Aktionen hat sie sich wohl einen Bärendienst erwiesen. Denn sie zeigen Zschäpe nun genau so, wie die Anklage sie beschreibt, als dominante, starke Persönlichkeit, die im NSU-Trio völlig gleichberechtigt war und nicht nur eine harmlose Mitbewohnerin. Zudem hat sie ihrer Verteidigung selbst schwer geschädigt. Spekulationen, dass Zschäpe nun doch aussagen wolle, haben sich jedoch als falsch herausgestellt. Sie wird wohl bis zum Schluss weiter schweigen.

Die anderen Angeklagten standen zuletzt weniger im Fokus:

  • Ralf Wohllebens Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft wurde vom Gericht abgelehnt. Der Vorwurf, dass Wohlleben dem Trio die Mordwaffe, eine Pistole mit Schalldämpfer des Modells Ceska 83, besorgt habe, konnte nicht entkräftet werden. Er gilt also weiter der Mittäterschaft als dringend verdächtig.
  • Carsten S. ist der bislang einzige Angeklagte, der voll umfänglich ausgesagt hat. S. hatte zugegeben, die Ceska dem Trio überbracht zu haben. Er wird wohl mit einer vergleichsweise milden Strafe zu rechnen haben. Allerdings hatte er schon zu Beginn des Prozesses zurückgewiesen, eine Führungsfigur in der Nachwuchsorganisation der NPD gewesen zu sein. Zeugenaussagen widersprechen dem jedoch. Dazu will Carsten S. nach der Sommerpause aussagen.
  • André E., der mit seiner Frau zu den engsten Freunden des NSU-Trios im Untergrund gezählt haben soll und wohl enge Kontakte zum rechten Unterstützer-Netzwerk pflegte, ist im Prozess bislang nur eine Randfigur. Ihm konnte bisweilen nichts nachgewiesen werden. 
  • Holger G. hat zum Teil ausgesagt. Er verlas zu Beginn des Prozesses eine Erklärung und wies die Vorwürfe gegen seine Person teilweise zurück. Er soll dem Trio seinen Führerschein und seinen Pass gegeben haben. Unter dem Namen Holger G. mieteten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos Wohnmobile und Autos an, die sie für die Morde verwendeten. Ohne eine vollständige Aussage droht Holger G. dennoch eine Haftstrafe. Denn Richter Götzl wies ihn darauf hin, dass sein Teilschweigen negativ ausgelegt werden könne.

Zeugenvernehmungen gehen weiter

Wenn am 2. September der Prozess wieder aufgenommen wird, geht es mit Zeugenvernehmungen weiter. Alle wesentlichen Taten sind bereits abgearbeitet: Neun Morde an Migranten, ein Polizistenmord, zwei Bombenanschläge, eine Brandstiftung und 15 Raubüberfälle. Taten, die hauptsächlich die durch Selbstmord getöteten Böhnhardt und Mundlos begangen haben sollen. Dennoch bleibt noch vieles auszuleuchten. So sind weitere Vernehmungen von Zeugen aus den Reihen des Verfassungsschutzes geplant. Auch Zeugen aus dem Umfeld des NSU-Trios und aus der rechten Szene sollen noch gehört werden. Schließlich stehen Vernehmungen zu verschiedenen Banküberfällen aus.

Weit über 500 Zeugen wurden bereits gehört, doch ein Ende des Prozesses ist noch nicht abzusehen. Immer wieder beantragen die Opferanwälte weitere Zeugenvernehmungen. Sie wollen die Taten des NSU vollständig aufklären und auch klären, welche Unterstützer die drei Terroristen aus der rechten Szene hatten. Zudem soll die Rolle des Verfassungsschutzes geklärt werden. Bundesanwaltschaft und Verteidiger wollen hingegen nur das verhandeln, was auch angeklagt ist, um das Verfahren zu beschleunigen. Richter Götzl hat jedoch erkannt, dass manches doch noch geklärt werden sollte. Vorsorglich hat das Gericht Termine bis September 2016 vergeben. 

     

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Thomas Horsmann

ist freier Journalist und Redakteur.

 

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