Inland

Notfallplan Gas: SPD-Minister gegen Debatte warme Wohnung oder Jobs

Nur wenige Stunden nachdem der Gas-Notfallplan aktiviert wurde, haben sich am Mittwoch die Energieminister*innen der Länder getroffen. Vorsitzender Olaf Lies warnt vor gefährlichen Abwägungen zwischen warmer Wohnung und stabiler Wirtschaft.
von Benedikt Dittrich · 31. März 2022
Die warme Wohnung hat im Notfallplan Gas Vorrang.
Die warme Wohnung hat im Notfallplan Gas Vorrang.

Es ist „nur“ die Frühwarnstufe, die am Mittwochmorgen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ausgerufen wurde, das betont Olaf Lies als erstes. „Ich bin dankbar für diese abgewogene Entscheidung“, sagt der niedersächsische Energieminister, und sie sei auch notwendig geworden. „Die Notfallstufe wollen wir aber vermeiden“, ergänzt der SPD-Minister mit Blick auf die letzte Stufe des Notfallplan Gas. Erst in der Notfallstufe könnte der Staat direkt in den Gasmarkt eingreifen, zum Beispiel bestimmen, welches Unternehmen überhaupt noch Gas erhält.

Die Bundesregierung, die EU und die G7-Staaten hatten zuletzt dem russischen Präsidenten Putin die Zahlung der Energieimporte in Rubel verweigert. Putin hatte gefordert, dass Gas-Lieferungen künftig in der russischen Währung bezahlt werden sollen, nicht mehr in Euro oder Dollar. Ein Vertragsbruch, dem die betroffenen Staaten nicht nachkommen wollen. Ein Importstopp von Gas in Richtung Deutschland ist damit wahrscheinlicher geworden. Putin ruderte am Mittwochabend aber nach einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz offenbar schon wieder zurück.

Was in der Verordnung steht, welche Stufe was bedeutet: Unser FAQ zum Notfallplan Gas.

Lies: Energie sparen und Tempo machen

Unabhängig von den Launen des russischen Kriegstreibers: Die Energieminister*innen der Länder betonen am Mittwoch, wie schwierig die Abwägung werden kann, sollte es wirklich zu Lieferengpässen kommen. „Wir müssen sorgfältig mit der Ressource Energie umgehen“, warnt Lies, der zurzeit den Vorsitz bei den Treffen hat, „sorgsamer und sparsamer“. Er hat seine Lehren aus der Abhängigkeit zu Russland bereits gezogen: „Wir müssen unabhängiger von Energieimporten werden“, fordert er, und: „wir müssen schneller werden“.

Damit meint er nicht nur den Ausbau der Erneuerbaren Energien, sondern parallel auch den Aufbau von LNG-Terminals, die verflüssigtes Gas aufnehmen können. Die ermöglichen Gas-Importe auch aus anderen Ländern. Lies Hoffnung: Erste Lieferungen über einen deutschen Hafen könnten schon zum Jahresende oder zu Beginn 2023 möglich sein. Später könnte auf dem Weg auch grüner Wasserstoff importiert werden.

„Für nächsten Winter gilt es vorzusorgen“, Wirtschaftsweise Veronika Grimm über die deutsche Abhängigkeit vom russischem Gas.

Windkraft als verlässliche, bezahlbare Energie begreifen

„Als Politik müssen wir den Rücken aber auch vielleicht noch stärker gerade machen“, sagt Lies selbstkritisch. Die genannten Terminals könnten schneller gebaut werden, vielleicht ohne vorherige vollständige Genehmigung. Auch beim Bau von Windkraftanlagen fordert er mehr Tempo: Statt eine „Horizont-Verschmutzung“ von Windrädern zu sehen, sei der Blick auf ein sich drehendes Windrad vielmehr das Signal, dass Deutschland verlässliche, bezahlbare Energie habe. Deswegen wirbt er vehement für einheitliche Regeln beim Windkraftausbau und eine einheitliche, konsequente Umsetzung. „Wir müssen davon wegkommen, dass wir über jedes Windrad eine Debatte führen, ob das möglicherweise stören könnte.“

Mit Blick auf die krisengeplagte Welt meint er nüchtern: „Wir dürfen nicht hoffen, dass es besser wird, wir müssen handeln, damit es besser wird.“ In der aktuellen Situation warnt er jedoch vor einer vereinfachten Debatte: Es dürfe nicht um „warme Wohnung oder sicheren Arbeitsplatz“ gehen. Denn wenn einzelne Unternehmen komplett auf Gas verzichten müssten, so Lies, drohe der Abbruch ganzer Wertschöpfungsketten. Allerdings: Vorrang habe die persönliche und die medizinische Versorgung. Priorität hat für Olaf Lies jetzt aber vor allem die Verringerung des Gasverbrauchs in allen Bereichen. „Wir müssen verhindern, dass wir überhaupt in eine solche Situation kommen.“

Eine Liste, welches Unternehmen zuerst verzichten müsste, gebe es ohnehin noch nicht, wie Patrick Graichen, Staatssekretär im Bundeswirtschaftministerium, am Mittwoch bestätigt: „Das ist der Prozess, der gerade läuft.“

Absage an zusätzliche Biogas-Landwirtschaft

Einer Alternative erteilte der niedersächsische Sozialdemokrat Olaf Lies allerdings eine klare Absage: Mehr Energiepflanzen anzubauen, um damit die Biogas-Produktion zu erhöhen. „Das ist für mich nicht vorstellbar“, erklärt er, „denn wir reden hier gleichzeitig von einer Ernährungskrise.“ Russland und die Ukraine sind die größten Weizen-Exporteure der Welt, es wird bereits vor einer Hungerkrise in Afrika gewarnt. Denkbar ist für den niedersächsischen Sozialdemokraten lediglich die Nutzung von mehr Bio-Abfällen, die für die Biogas-Produktion in Frage kommen.

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