Inland

Niedersachsen übt in Modellkommunen erste Lockerungen

Shoppen, ins Kino gehen oder ein Restaurant besuchen – in 13 niedersächsischen Kommunen ist das seit Dienstag trotz Corona-Einschränkungen wieder erlaubt. Der Mix aus Schutzmaßnahmen, Testkonzepten und der Luca-App ist auch ein Testlauf für spätere Lockerungen.
von Carl-Friedrich Höck · 7. April 2021
Testen, bummeln, shoppen: Braunschweig ist eine der Kommunen in Niedersachsen, die Lockerungen üben dürfen.
Testen, bummeln, shoppen: Braunschweig ist eine der Kommunen in Niedersachsen, die Lockerungen üben dürfen.

Ab diesem Dienstag dürfen in Niedersachsen 13 Kommunen Modellprojekte zur Öffnung von Läden, Kultur und Außengastronomie starten. Sie haben die Erlaubnis erhalten sogenannte sichere Zonen einzurichten, wo zum Beispiel Geschäfte, Cafés und Fitnessstudios oder Galerien wieder öffnen können. Diese Zonen darf nur betreten, wer negativ auf das Coronavirus getestet wurde und eine von der Kommune vorgegebene Kontaktnachverfolgungs-App nutzt.

Weil: „Wir bleiben vorsichtig”

Weil die Vorbereitungen noch laufen, werden die Öffnungen erst im Lauf der nächsten Tage umgesetzt. Ausgewählt wurden die 13 Kommunen vom niedersächsischen Gesundheitsministerium in Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden. Die Wahl fiel auf die Städte Aurich, Achim, Braunschweig, Hansestadt Buxtehude, Cuxhaven, Einbeck, Emden, Hannoversch Münden, Hildesheim, Hansestadt Lüneburg, Nienburg/Weser, Norden und Oldenburg. Die Samtgemeinde Elbautal war ursprünglich auch ausgewählt worden, erfüllte Medienberichten zufolge zwischenzeitlich die Anforderungen aber nicht mehr. Laut der Landesregierung wurden nur Kommunen zugelassen, die „im Wesentlichen eine Inzidenz von 100 nicht überschreiten“. Die 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner*innen liegt, Stand Mittwoch, in Niedersachsen bei 88,9, wobei über die Osterfeiertage mit verspäteten Meldungen gerechnet wird.

„Wir bleiben vorsichtig“, betonte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), als die ausgewählten Städte und Gemeinden am vergangenen Samstag bekanntgegeben wurden. Man wolle aber einem neuen System mit Testen, Besucherlenkung und AHA-Regeln eine Chance geben. „Wir brauchen Perspektiven“, begründet der Regierungschef das Vorgehen.

Gesundheitsministerin Daniela Behrens (ebenfalls SPD) erklärte: „Mit den Projekten untersuchen wir, wie die Öffnung einzelner Bereiche mit einer konsequenten Teststrategie und unter Einhaltung strenger Auflagen möglich ist. Wir wollen so die Grundlage für spätere kontrollierte und gezielte Lockerungen schaffen.“ Ziel sei es, Schritt für Schritt durch die Pandemie zu kommen und „eine gewisse Normalisierung unseres Lebens zu ermöglichen“. Wegen der hohen Inzidenzwerte würden die Öffnungen nur in einem zeitlich und räumlich eng begrenzten Rahmen getestet.

Hohe Anforderungen an die Modellkommunen

Corona-Selbsttests reichen nicht aus, um die „sicheren Zonen“ betreten zu dürfen. Wer dort shoppen oder essen gehen will, muss einen aktuellen negativen Antigen-Schnelltest nachweisen. Das gilt auch für die Mitarbeitenden in den Läden und Betrieben. Die Kommunen müssen im Anschluss an die Projekte einen ausführlichen Erfahrungsbericht vorlegen. Zudem werden die Modellversuche wissenschaftlich begleitet.

Die Modellkommunen mussten ein Testkonzept für ein abzugrenzendes Gebiet vorlegen und sie müssen an einem App-basierten Kontaktnachverfolgungs-System teilnehmen. Außerdem mussten sie das Gesundheitsamt einbinden und ein Konzept erstellen, wie der Ordnungs- und Sicherheitsdienst die Einhaltung von AHA- und Hygieneregeln durchsetzen soll.

Lüneburg lockert mit Luca-App

In Lüneburg zum Beispiel wird die Luca-App für die elektronische Kontakt-Nachverfolgung genutzt. Rund um die Innenstadt sollen mehrere Teststationen eingerichtet werden, um die nötigen Tests umsetzen zu können. Mit einem negativen Testergebnis kann man ein „Lüneburger Tagesticket“ erhalten, das den Zugang zu den Läden und Restaurants ermöglicht. Betriebe, die ohnehin schon öffnen durften – wie Buchhandel, Lebensmittelgeschäfte oder Apotheken – sind von den Sonderregeln ausgenommen. Die Stadt bittet diese aber, sich freiwillig an dem Konzept zu orientieren.

Das Projekt wird in Lüneburg frühestens am 12. April starten und ist mit einer Laufzeit von drei Wochen geplant. In einem ersten Schritt sollen nur Bewohner*innen des Landkreises Lüneburg Tagestickets erhalten können. Wenn das gut funktioniert und die Abläufe eingespielt sind, ist auch eine Öffnung für auswärtige Besucher*innen vorgesehen. „Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben“, sagt Oberbürgermeister Ulrich Mägde. Der Testlauf schaffe eine Perspektive für die lokale Wirtschaft in der Innenstadt und für viele Menschen vor Ort.

SPD-Experte Lauterbach sieht Modellversuche kritisch

Modellversuche gibt es auch in anderen Bundesländern. In Sachsen testen die Städte Augustusburg und Oberwiesenthal Öffnungen mit negativem Schnelltest. In Tübingen läuft bereits seit dem 16. März ein ähnliches Projekt, bei dem Interessierte an Corona-Teststationen ein Tagesticket erhalten können. Das Tübinger Modell steht allerdings in der Kritik. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist in der Stadt seit Beginn des Modellprojektes von 20 auf 82 gestiegen, im Landkreis liegt sie sogar bei 109.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach urteilte auf Twitter bereits am 30. März: „Tübingen zeigt, dass unsystematisches Testen mit Öffnungsstrategien die schwere 3. Welle nicht aufhalten wird.“ Das Konzept „Testen statt Lockdown“ sei Wunschdenken. Alle Modellprojekte zur Lockerung müssten jetzt erstmal gestoppt werden. „Sie geben das falsche Signal“, so Lauterbach. Stattdessen müsse über die Pflicht der Testung in Betrieben und Schulen schnelles Erkennen von Clustern möglich werden. So schaffe man die Voraussetzung für Lockerungen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei demo-online.de

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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