Inland

Neues Klimaschutzgesetz: „Wir nutzen jetzt die Chance.“

Am Mittwoch will die große Koalition das neue Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen. Es schafft „größtmögliche Planbarkeit für die sozial-ökologische Transformation und wird weltweit Maßstäbe setzen“, ist Umweltministerin Svenja Schulze sicher.
von Kai Doering · 11. Mai 2021
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: Um das Klima effektiv zu schützen, müssen Ziele mit wirk­samen und sozialverträglichen Maßnahmen unterlegt werden.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: Um das Klima effektiv zu schützen, müssen Ziele mit wirk­samen und sozialverträglichen Maßnahmen unterlegt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat Ihr Klimaschutzgesetz in Teilen für grundgesetzwidrig erklärt. Trotzdem fühlen Sie sich von der Entscheidung in Ihrem Kurs bestätigt. Warum?

Weil sie Rückenwind für mehr Klimaschutz bedeutet. Die SPD kann weiterhin stolz sein, das Klimaschutzgesetz gegen einen widerspenstigen Koalitionspartner durchgesetzt zu haben. Das Verfassungsgericht hat nämlich nicht die Systematik des Gesetzes beanstandet, sondern dass wir noch nicht genauer festlegen, was nach 2030 passieren soll. Genau das hat die Union damals nicht mitgemacht. Jetzt kommt das von mir angestrebte Zwischenziel über den Umweg Karlsruhe und wir legen uns sogar fest, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden. Das freut mich sehr.

Sie haben schon 2019 einen kon­kreten Fahrplan für die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen bis 2050 vorgelegt. Warum konnte sich die große Koalition nicht darauf einigen?

Die Union sah in meinen Vorschlägen den Weg in eine Planwirtschaft. Dabei kann sozialer und generationengerechter Klimaschutz gar nicht anders funktionieren als mit klaren staatlichen Vorgaben. Das hat auch das Verfassungsgericht bestätigt.

Nach der Entscheidung des ­Bundesverfassungsgerichts überschlagen sich CDU und CSU mit ­Vorschlägen für den Klimaschutz. Wie viel ­Substanz hat das?

Die Erfahrung der letzten Jahre lässt mich an der Ernsthaftigkeit dieser Aussagen zweifeln. Um das Klima effektiv zu schützen, müssen Ziele mit wirk­samen und sozialverträglichen Maßnahmen unterlegt werden. Und da fehlen mir Konzepte aus den unionsgeführten Häusern. Häufig stehen sie sogar auf der Bremse, wie bei unserem Vorschlag zur Beteiligung der Vermieter an den CO2-Kosten. Denn es sind die Vermieter, die entscheiden, welche Heizungssysteme in Mietshäuser eingebaut und ob sie energetisch saniert werden. Aber wenn es konkret wird, liegen der Union die Interessen der Immobilienlobby wohl doch näher als der Schutz des Klimas und von Mieterinnen und Mietern.

Ziehen Sie jetzt Ihren ursprünglichen Entwurf zum Klimaschutzgesetz wieder aus der Schublade oder gibt es substanzielle Unterschiede?

Wir nutzen jetzt die Chance und erhöhen auch unser Klimaschutzziel für 2030. Das war ohnehin geplant, nur wollten wir zunächst abwarten, welche ­Neuerungen es bei den EU-Klima­regeln gibt und was das für Deutschland konkret bedeutet. Nun ziehen wir die Gesetzesnovelle vor – mir als Umweltministerin kann das nur recht sein. Das neue Klimaschutzgesetz schafft größtmögliche Planbarkeit für die sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft und wird weltweit Maßstäbe setzen.

Was bedeutet der neue Gesetz­­entwurf für den ausgehandelten Kohleausstieg?

Das Kohleausstiegsgesetz bleibt unangetastet. Ich habe allerdings schon öfter gesagt, dass der Kohleausstieg, getrieben durch den europäischen Emissionshandel, sehr wahrscheinlich schneller kommen wird. Deswegen ist es gut, dass das Kohleausstiegsgesetz die notwendige Flexibilität zulässt. Meine Prognose ist, dass wir Anfang der 2030er Jahre keine Stromerzeugung aus Kohle mehr haben werden. Für mich ist wichtig: Ein eventuell früherer Kohleausstieg darf nicht zulasten der Beschäftigten gehen. Darüber hinaus gilt: Der Schlüssel für eine verlässliche, bezahlbare und klimafreundliche Stromversorgung ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Hier bleibt viel zu tun, die SPD hat längst Vorschläge für höhere Ausbaupfade auf den Tisch gelegt, die Union blockiert.

Im September endet Ihre erste Amtszeit als Bundesumweltministerin. Worauf sind Sie nach vier Jahren im Amt besonders stolz?

Für eine Bilanz ist es noch zu früh, dafür stecken wir noch mitten in der Arbeit. Neben dem neuen Klimaschutzgesetz soll zum Beispiel auch mein Insektenschutzgesetz noch bis zum Sommer ins Gesetzblatt. Aber natürlich bin ich schon jetzt froh, dass uns so viele politische Weichenstellungen für die sozial-ökologische Transformation gelungen sind: Mehr Schwung für die Elektromobilität, Milliardeninvestitionen in Zukunftstechnologien wie grünen Wasserstoff, Unterstützung der Industrie beim Umstieg auf klimaschonende Produktionsprozesse, weniger Plastikmüll und noch vieles mehr. Der Blick in unser Zukunftsprogramm zeigt, dass wir an diese Erfolge anknüpfen und die nächsten Jahre für den sozial- und klimagerechten Umbau unserer Wirtschaft nutzen wollen. Am besten mit einem Bundeskanzler Olaf Scholz!

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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