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Neuer GdP-Chef Kopelke: „Polizeiarbeit muss schneller werden.“

Jochen Kopelke ist neuer Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Beim Bundeskongress erhielt er 87 Prozent der Stimmen. Im Interview sagt er, wie sich die Polizei verändern muss und warum AfD-Mitglieder in der GdP nicht willkommen sind.
von Kai Doering · 12. September 2022
GdP-Chef Jochen Kopelke: Die Polizeiarbeit verändert sich, aber sie wird nicht weniger.
GdP-Chef Jochen Kopelke: Die Polizeiarbeit verändert sich, aber sie wird nicht weniger.

Seit fast hundert Jahren gilt die Polizei als „Freund und Helfer“. Welches Verständnis haben Sie von der Polizei heute?

Ich teile das Bild des Freunds und Helfers, das man heute sicher auf Freundin und Helferin erweitern sollte. Es passt aber nach wie vor zumal es für viele Motivation ist, den Beruf zu ergreifen. Zudem zeigen Umfragen regelmäßig, dass das Vertrauen in der Bevölkerung in die Polizei groß ist.

Trotzdem nehmen die Angriffe auf Polizist*innen seit Jahren zu. Hat da in der öffentlichen Wahrnehmung ein Wandel stattgefunden?

Der Blick auf die Polizei ist vielschichtiger geworden so wie es der Beruf auch geworden ist. Das zeigen allein die Gebiete, in denen Polizistinnen und Polizisten heute im Einsatz sind von der Streife bis hin zu Experten, die Cyber-Kriminalität bekämpfen. Die Polizei ist dadurch deutlich bunter geworden, was auch den Blick auf sie verändert. Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten sind aber unter keinen Umständen hinnehmbar! Dass sie vermehrt Opfer von Übergriffen werden, ist für mich vor allem ein Symptom der Spannungen, die in unserer Gesellschaft zunehmen. Den Polizistinnen und Polizisten gegenüber entladen sie sich dann. Diese Spannungssituation auf der Straße aushalten zu müssen, ist sehr belastend. Aber am Ende helfen wir auch denen ihre Meinung frei äußern zu können, die uns unter Umständen beschimpfen. Das gehört zur Demokratie dazu.

Fühlen Sie sich von der Politik allein gelassen?

Ich nehme eher eine gegenteilige Entwicklung wahr. Das Interesse an der Arbeit, aber auch an den Bedrohungen von Polizistinnen und Polizisten nimmt eher zu. Verstärkt begleiten uns Politikerinnen und Politiker in unserem Alltag, um unsere Sorgen und Nöte kennenzulernen. Diese Aufmerksamkeit tut gut. Umgekehrt nehmen die Entscheidungsträger sehr viele wertvolle Erfahrungen mit.

Straftaten finden heute vermehrt im digitalen Raum, im Internet statt. Was bedeutet das für die Arbeit der Polizei?

Die Polizeiarbeit verändert sich, aber sie wird nicht weniger. Im Gegenteil. Das Internet ist ja als zusätzlicher Raum, in dem Straftaten stattfinden, dazugekommen. Andere Verbrechen verschwinden dadurch aber nicht. Ein Problem ist, dass die Strafverfolgungsbehörden mit dem rasanten Tempo der Entwicklungen kaum mithalten können. Das nutzen Kriminelle gezielt aus und so entsteht ein Ungleichgewicht. Wir müssen also dafür sorgen, dass Polizeiarbeit schneller wird, um mit den Kriminellen Schritt zu halten – ohne dabei die Polizisten zu vergessen, die in die Lage versetzt werden müssen, neue Techniken auch anwenden zu können.

Muss die Polizei dafür besser ausgestattet werden?

Wenn wir über das Internet sprechen, würde mehr Prävention aus meiner Sicht sehr helfen. Wenn wir die Menschen dafür sensibilisieren, was im digitalen Raum mit ihren Daten passieren kann und dass sie immer mal ihr Passwort ändern sollten, wäre schon einiges gewonnen. Bei der Strafverfolgung geht es um Themen wie die Vorratsdatenspeicherung oder die Telekommunikationsüberwachung. Und natürlich spielt auch die Ausstattung mit digitalen Endgeräten eine Rolle, damit Polizistinnen und Polizisten Tatorte damit direkt aufsuchen können. Hier gibt es auch ein starkes Ungleichgewicht zwischen den Ländern.

In vielen Bereichen können Stellen zurzeit nicht besetzt werden. Es fehlen passende Arbeitskräfte. Ist das auch bei der Polizei ein Problem?

Der Polizei-Beruf ist nach wie vor attraktiv und glücklicherweise gibt es in den meisten Bundesländern noch genug Bewerberinnen und Bewerber. Aber das ist alles andere als ein Selbstläufer. Auch die Polizei ist stark von der Ausbildungsqualität in den Schulen und Hochschulen abhängig. Wir sollten nie in eine Situation kommen, in der wir die Eingangsvoraussetzungen absenken müssen, um genügend Bewerberinnen und Bewerber zu haben. Dafür ist es auch wichtig, den Beruf öffentlich nicht schlecht zu machen, sodass Menschen abgeschreckt werden und ihn nicht mehr machen wollen. Hier haben Medien und die Politik, aber auch die Gesellschaft insgesamt eine große Verantwortung.

Die Bundesregierung will die Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten schaffen. Ist das sinnvoll?

Ähnliche Posten gibt es ja bereits in vielen Bundesländern. Die Bundesregierung holt damit also im Prinzip nur das nach, was bei den Landespolizeien schon gängige Praxis ist. Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei funktioniert die Zusammenarbeit mit den Beauftragten sehr gut. Ihre Berichte zeigen, dass gerade sehr viele Polizistinnen und Polizisten diese Institution dafür nutzen, ihren Problemen Ausdruck zu verleihen. Was den Beauftragten auf Bundesebene angeht, fehlt mir noch ein wenig die Vorstellung, was er oder sie leisten soll, auch wenn die Erwartungen zum Teil bereits sehr hoch sind. Diejenigen, die unzufrieden sind mit polizeilichem Handeln, sollten das aber unbedingt äußern können. Nichts ist schlimmer, als wenn sich Dinge anstauen und am Ende in Frust und Wut entladen.

Die GdP hat vor einigen Jahren einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst: Wer Mitglied in der AfD ist, kann nicht Mitglied bei der GdP sein. Wird das akzeptiert?

Wir haben diesen Beschluss in Abstimmung mit allen Landesverbänden herbeigeführt, weil wir keine antidemokratischen Strömungen, Rassismus und Sexismus in der GdP haben wollen. Dahinter stehe ich voll und ganz. Der Beschluss hat nach wie vor eine Signalwirkung in die große Mitgliedschaft der GdP. Dafür führen wir auch Gespräche an den Dienststellen und machen den Kolleginnen und Kollegen klar, wenn ihre Haltung nicht tragbar ist. Dadurch weiß jeder, der bei uns mitmachen oder mit uns zusammenarbeiten möchte, dass die Gewerkschaft der Polizei eine weltoffene, bunte Gewerkschaft ist.

Die GdP ist eine wachsende Gewerkschaft und hat mittlerweile rund 200.000 Mitglieder. An der Mitgliedschaft im DGB wird auch mit Ihnen an der Spitze nicht gerüttelt, oder?

Nein, auf keinen Fall. Ich bekenne mich klar zur Mitgliedschaft der GdP im DGB und freue mich auf das solidarische Ringen mit den Schwestergewerkschaften dort.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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