Inland

Neue Zeiten

von Die Redaktion · 8. September 2005
placeholder

"Das Thema Arbeitszeit ist wieder en vogue", meinte auch Dr. Ursula Mehrländer von der FES in ihren einleitenden Worten. Für die Wissenschaft ergriff Dr. Hartmut Seifert vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung das Wort. "Die Arbeitszeit ist immer weiter in das Fahrwasser ökonomischer Imperative geraten", kritisierte er. So sei eine zunehme Polarisierung festzustellen. "Ein Teil der Beschäftigten arbeitet kürzer als früher ein anderer länger." Gut die Hälfte aller Arbeitnehmer in Deutschland arbeite zudem am Wochenende oder in der Nacht. "Die Flexibilisierung ist in diesem Bereich in Deutschland weit fortgeschritten", so Seifert. In diesem Zusammenhang befürwortete er auch den zunehmenden Trend zu Langzeitarbeitskonten. "Sie bieten enorme Kostenvorteile für Unternehmen", meinte er, "denn Arbeitszeiten lassen sich dadurch wie mit einem Dimmer an die Konjunktur anpassen."

"Langzeitkonten sind eine klasse Sache", stimmte in der anschließenden Diskussion auch Thomas Weiner, Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, zu. Diese müssten jedoch erst langfristig aufgebaut werden. "Zeitkonten müssen klar im Tarifvertrag geregelt werden", forderte deshalb auch Werner Bischoff, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der IG BCE Hannover. Der einzelne Arbeitnehmer müsse auf die Buchungen Einfluss nehmen können. Ein Problem machte Professor Eckart Hildebrandt vom Wissenschaftszentrum Berlin in diesem Zusammenhang bei Beschäftigten wie Arbeitgebern aus. "Sie müssen den Umgang mit der Arbeitszeit erst lernen." Einig waren sich die drei, dass man sich bei dem Problem der Kontensicherung etwas einfallen lassen muss. "Kaum jemand bleibt heute ein Leben lang in ein uns demselben Betrieb", stellte Werner Bischoff heraus.

Eine andere Sichtweise auf die Arbeitszeitpolitk wählte Professor Gerhard Bosch vom Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen. Er setzte sich mit der Frage auseinander, ob eine generelle Verlängerung der Wochenarbeitszeit Arbeitsplätze sichern oder sogar schaffen kann. "Eine Arbeitszeitverlängerung ist eine Kriegsansage an die junge Generation", behauptete Bosch. Er begründete seine These damit, dass dadurch Personal abgebaut und Innovation wie Qualifikation geschwächt würden. Er plädierte dafür, dass Arbeitszeit flexibler gestaltet werde. "In konjunkturell guten Zeiten sollten Arbeitnehmer Stunden ansparen und in schlechten Zeiten abbauen", so Bosch. In jedem Fall

verlängere sich jedoch die Lebensarbeitszeit. "Hier muss stärker als bisher die Altersteilzeit genutzt werden."

Für "pervertiert" hielt diese Dr. Corinna Barkholdt vom Dortmunder Institut für Gerontologie. So würde sie von den meisten Arbeitnehmern nicht zum gleitenden Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand genutzt, sondern häufig am Block genommen um eher in den Ruhestand zu gehen. "Die Vereinbarkeit von Beruf und Alter müssen jedoch über den Lauf des Lebens angepasst werden." Zeitkonten seien hier eine gute Möglichkeit, den Arbeitsprozess alternsgerecht zu gestalten.

Einen wichtigen Teil im Lauf des Lebens stellt die Familie dar. Vom "klassischen Vereinbarkeitsdilemma" sprach in diesem Zusammenhang Dr. Karin Jurcyk vom Deutschen Jugendinstitut in München. "Die veränderte Erwerbswelt wirkt auch in die Familie hinein", stellte sie fest. Mit Gleitzeit, Jobsharing oder Teilzeit könne hier reagiert werden, denn "Familie braucht Flexibilität und Verlässlichkeit", so Jurczyk.

Viele Modelle also, um mit der Arbeitszeit umzugehen. Warum sollte der Luxusartikel Lebenszeit nicht für mehr und mehr Menschen gestaltbar sein?

Kai Doering

0 Kommentare
Noch keine Kommentare