Neue Wehrbeauftragte Högl: „Ich bringe einen frischen Blick auf die Bundeswehr mit.“
Inga Kjer/photothek.net
Sie sind promovierte Juristin und nun als Wehrbeauftragte „Anwältin der Soldat*innen“. Was reizt Sie an der neuen Aufgabe?
Die Beschreibung der Wehrbeauftragten als Anwältin der Soldatinnen und Soldaten trifft die Aufgabe, die vor mir liegt, sehr gut. Ich werde ihre Interessenvertreterin sein hinein in die Politik und in die Gesellschaft. Das ist für mich der schönste, aber auch verantwortungsvollste Teil des Amtes. Es geht darum, darauf zu achten, dass die Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten gewahrt und die Grundsätze der inneren Führung eingehalten werden. Diese Herausforderung reizt mich sehr und deshalb freue ich mich, dass der Bundestag am Donnerstag mit breiter Mehrheit mich zur Wehrbeauftragten gewählt hat. Es ist eine große Ehre, dass ich dieses verantwortungsvolle und sehr wichtige Amt übernehmen darf.
Es heißt immer, als Wehrbeauftragte*r bewerbe man sich nicht, sondern man werde gefragt. Wie war es bei Ihnen?
Um das Amt der Wehrbeauftragten bewirbt man sich tatsächlich nicht. Es stand bei mir nicht auf dem Zettel, denn ich bin sehr gerne stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion gewesen. Rolf Mützenich hat mich gefragt und ich habe sofort Ja gesagt, weil ich davon überzeugt bin, dass ich viel mitbringe, was das Amt erfordert, auch wenn ich bisher keine Verteidigungspolitikerin war.
Während Ihrer Zeit im Bundestag haben Sie sich als Innen- und Rechtspolitikerin einen Namen gemacht. Mit Verteidigungspolitik hatten Sie bisher nur am Rande zu tun. Ist das eine Bürde für das neue Amt?
Ein Politikfeld zu wechseln, ist für eine Politikerin nichts Ungewöhnliches. Ich kann mich sehr schnell in neue Themen einarbeiten und werde viele Gespräche führen, gut zuhören und mir dann meine Meinung bilden. Außerdem habe ich langjährige parlamentarische Erfahrung, habe zehn Jahre im Bundesarbeitsministerium gearbeitet und kenne deshalb Verwaltung. Ich hatte über das Soldatenrecht bereits viele Berührungspunkte mit den Belangen von Soldatinnen und Soldaten.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verspricht sich von Ihnen als Wehrbeauftragte „neue Akzente“. Welche werden das sein?
Jede und jeder Wehrbeauftragte übt das Amt unterschiedlich aus und setzt andere Akzente. Ich bringe einen frischen Blick auf die Bundeswehr mit. Das tut dem Amt der Wehrbeauftragten aus meiner Sicht ganz gut.
Die Aussetzung der Wehrpflicht, eine steigende Anzahl von Auslandseinsätzen: Wo sehen Sie zurzeit die größten Belastungen für die Soldat*innen?
Die Bundeswehr steckt mitten in einem Strukturwandel, vor allem durch den Übergang von einer Wehrpflichtigen- zu einer Berufsarmee. Hinzu kommen die gewachsenen Herausforderungen in der Welt mit schwierigen und gefährlichen Auslandseinsätzen. Das verlangt der Bundeswehr, insbesondere aber den Soldatinnen und Soldaten, eine Menge ab. Für mich ist die entscheidende Frage, welche Anforderungen und Bedürfnisse sich für sie daraus ergeben. Das aufzunehmen und in Anforderungen an die Politik zu übersetzen, ist meine Aufgabe. Als weibliche Wehrbeauftragte werde ich sicher auch einen besonderen Blick auf die Bedürfnisse der Soldatinnen haben.
Ihr Vorgänger Hans-Peter Bartels hat in seinem Jahresbericht für 2019 die Personalgewinnung als ein Hauptproblem bezeichnet. Warum ist die Bundeswehr als Arbeitgeberin so unattraktiv?
Hans-Peter Bartels hat sehr gute Arbeit geleistet, an die ich anknüpfen möchte. Da gibt es viele Themen, die auf dem Tisch liegen: die Arbeitszeiten im Einsatz, die Rahmenbedingungen für die Familie und das Pendeln zwischen Familie und Standort der Soldatinnen und Soldaten. Ich möchte gemeinsam mit den Soldatinnen und Soldaten daran arbeiten, dass die Bundeswehr als Arbeitgeberin attraktiv ist und sich junge Menschen häufiger als jetzt dafür entscheiden dort ihre Ausbildung zu machen und zu arbeiten.
Immer wieder wird über Soldat*innen berichtet, die wegen rechter Gesinnung auffällig geworden sind. Wie groß ist das Problem des Rechtsextremismus in der Bundeswehr?
Seit der Zeit, in der NSU-Mitglied Uwe Mundlos bei der Bundeswehr war, hat sich eine Menge getan. Aus dem Umgang von Polizei und Sicherheitsbehörden sowie dem MAD mit dem Thema weiß ich, dass das Problem erkannt ist und angegangen wird. Es ist ganz klar, dass wir extremistische Bestrebungen in der Bundeswehr und in allen Teilen der Gesellschaft nicht dulden dürfen. Ich werde mir die einzelnen Fälle genau anschauen. Und ich werde schauen, wo es eventuell strukturelle Probleme gibt. Das sind wir auch dem Großteil der Soldatinnen und Soldaten schuldig, die fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen.
Als Wehrbeauftragte sind Sie vor allem eine Vertrauensperson für die Soldat*innen, die Sie bisher nicht kennen. Wie wollen Sie sich das Vertrauen erarbeiten?
Das Vertrauen der Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen, ist meine größte Aufgabe. Sie sollen sehen, dass ich für sie da bin und ihre Interessensvertreterin im Bundestag. Am wichtigsten ist für mich, vom ersten Tag an sehr viel zuzuhören, was die Soldatinnen und Soldaten bewegt und was sie brauchen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.