Neue Fahrgastrechte: Wann die Bahn künftig noch Entschädigungen zahlt
IMAGO/Panama Pictures
Ab dem 7. Juni gelten neue europaweite Regelungen zu Fahrgastrechten. Sie betreffen vor allem die Rechte von Bahnreisenden bei Verspätungen. In einigen Bereichen gibt es hier künftig deutliche Einschränkungen. Doch es gibt aus Sicht der Verbraucher*innen bei manchen Punkten auch Verbesserungen.
Welche Regelungen galten bislang?
Kommt ein Zug mehr als eine Stunde nach der geplanten Ankunft am Fahrziel der Reisenden an, so können diese 25 Prozent des Fahrpreises als Entschädigung zurückverlangen. Bei mehr als zwei Stunden Verspätung sind es sogar 50 Prozent des Fahrpreises. Daran ändert sich grundsätzlich auch erst einmal nichts. Jedoch gibt es Szenarien, nach denen der Entschädigungsanspruch künftig entfällt. Diese werden in Artikel 19 der EU-Verordnung geregelt. Darin heißt es, ein Eisenbahnunternehmen „sollte nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet sein, wenn es nachweisen kann, dass die Verspätung durch außergewöhnliche Umstände“ verursacht worden sei.
Wann gibt es künftig keine Entschädigung mehr?
Die „außergewöhnlichen Umstände“ betreffen beispielsweise Extremwetterlagen, Personen im Gleis oder Kabeldiebstahl, sprich Fälle, bei denen nicht die Bahn selbst für die Verspätungen verantwortlich ist. Zudem heißt es in der Verordnung: „Darüber hinaus sollte ein Eisenbahnunternehmen nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet sein, wenn es nachweisen kann, dass die Verspätung durch eine schwere Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wie beispielsweise eine Pandemie, verursacht wurde.“
Unklar ist jedoch, wie „Extremwetterlagen“ definiert werden können. Laut Stefanie Berk, Marketing-Vorständin bei der DB Fernverkehr AG, seien „gewöhnliche Unwetter“ mit Blick auf die neuen Einschränkungen bei den Entschädigungen explizit ausgenommen. In diesem Fall gilt der Entschädigungsanspruch also weiterhin. Als Extremwetterlage könnte beispielsweise die Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 gelten, bei der damals große Teile der Gleisanlagen zerstört wurden.
Welche Regelung gilt für Streiks?
Anders als bei den oben genannten Punkten muss die Bahn auch weiterhin bei Verspätungen oder Zugausfällen, die durch einen Streik zustande kommen, Entschädigungen an die Fahrgäste zahlen.
Wozu ist die Bahn außerdem verpflichtet?
Je nach Verspätung muss die Bahn Mahlzeiten und Getränke bereitstellen oder den Fahrpreis für ein Taxi übernehmen. Dies gilt auch dann, wenn die Verspätung aufgrund höherer Gewalt zustande kommt. Neu ist: Die Übernachtung in einem Hotel darf dann aber nicht mehr als drei Nächte betragen.
Welche Regelungen gelten für Folgeschäden?
Wer aufgrund verspäteter oder ausgefallener Züge einen Flug verpasst, eine Kreuzfahrt nicht antreten kann oder ein Hotel stornieren muss, hat auch weiterhin Pech gehabt. In diesem Fall gibt es nur für die betroffene Zugverbindung die Entschädigung.
Wie lange haben Fahrgäste Zeit, um die Entschädigung zu beantragen?
Auch hier gibt es eine Neuregelung. Denn bislang hatten Fahrgäste bis zu zwölf Monate Zeit, um Entschädigung für ausgefallene oder verspätete Züge sowie Erstattungen für zusätzliche Kosten zu beantragen. Ab sofort sind es nur noch drei Monate. Allerdings beantragen offenbar bislang ohnehin schon 97 Prozent der Betroffenen ihre Entschädigung innerhalb der ersten drei Monate.
Welche Auswirkungen gibt es für Menschen mit Deutschlandticket?
Das Deutschlandticket gilt laut Verordnung als „erheblich ermäßigtes Beförderungsentgelt“. Daraus ergibt sich folgendes Problem: Wer beispielsweise mit dem Deutschlandticket von Bonn nach Köln fahren will und anschließend eine Fahrt mit dem ICE nach Berlin gebucht hat, besitzt keinen Anspruch auf Entschädigung, falls er aufgrund des verspäteten Regionalverkehrs den ICE verpasst.
Was gilt für Durchgangsfahrten?
Anders ist die Regelung bei sogenannten Durchgangsfahrten, also, um im Beispiel zu bleiben, wenn Reisende ein durchgehendes Ticket von Bonn nach Berlin gebucht haben. In diesem Fall können Fahrgäste ihre Weiterreise bei zwischenzeitlichen Verspätungen selbst organisieren und nach dem üblichen Prozedere Entschädigung verlangen. Die Voraussetzung dafür: Sie müssen die Tickets beim selben Anbieter, also zum Beispiel der Deutschen Bahn, erworben haben.
Was gilt für Personen mit Mobilitätseinschränkung?
Benötigt ein Fahrgast Hilfe beim Ein- und Ausstieg, musste er das der Bahn bisher bis zu 48 Stunden im Voraus mitteilen. Mit der neuen EU-Verordnung sind es nur noch 24 Stunden. Doch weiterhin gilt: Spontanes Reisen bleibt schwierig.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo