Netzneutralität isch over
Thomas Trutschel/photothek.net
Diese Woche wurde ein Grundpfeiler des Internets zu Gunsten der Profitgier von Telekommunikationskonzernen geopfert.
Die Netzneutralität besagt, dass alle Daten gleich behandelt werden sollen - völlig egal, welcher Absender, welcher Adressat oder welcher Inhalt. Alle Daten sind gleich. Leider hat das EU-Parlament nun einem vermeintlichen Kompromiss zugestimmt, der Spezialdienste ermöglicht. Diese Spezialdienste können besonders behandelt und bepreist werden. Als Beispiele für diese Spezialdienste werden immer medizinische OPs über das Internet sowie autonome Fahrzeuge, die über das Internet gesteuert werden, angeführt. Totale Augenwischerei, denn für beide Szenarien wird eben nicht das Internet genutzt.
Freude bei den Telekommunikationsfirmen
Wir waren schon einmal weiter. Die letzte EU-Kommission wollte die Netzneutralität verankern. EU-Kommissar Oettinger (CDU) hat das Paket noch einmal aufgeschnürt und den Telekommunikationsfirmen Europas ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk bereitet. Telekom-Boss Tim Höttges hat gestern auch klar gemacht, wie begeistert er ist. Und er hat deutlich gezeigt, wie die Telekom den Tod der Netzneutralität auffasst: als Einladung zur Wegelagerei! Denn nichts anderes ist das vermeintliche Angebot von Höttges, künftig mit Startups zusammenarbeiten zu wollen, damit im Gegenzug die Datenpakete bevorzugt durchgeleitet werden!
Das wird die Vielfalt im Netz beeinträchtigen, denn nicht alle Angebote können es sich erlauben für die schnelle Datendurchleitung zu bezahlen. In den USA hat man sich genau aus diesen Gründen Anfang des Jahres bei der Aufsichtsbehörde FCC darauf verständigt, die Netzneutralität ohne Ausnahmen zu verankern. Dem vorausgegangen war ein immenser Druck der Telekommunikationsanbieter – aber die FCC hat sich für das Internet entschieden.
Die europäischen Regulierungsbehörden sollten alles tun, um besonders enge Grenzen für die Spezialdienste zu definieren! Was wir jetzt sehen, ist ein Kampf um die Deutungshoheit des stellenweise schwammig formulierten Gesetzes zur Netzpolitik, das vom EU-Parlament Dienstag verabschiedet wurde.
Schwarze Woche für das Internet in Europa
Das Ende der Netzneutralität ist zutiefst mittelstandsfeindlich – es ist ausgerichtet an den Bedürfnissen der Telekommunikationsanbieter. Hier wurde sich Wohlwollen bei der Umsetzung der eh schon popeligen Breitbandziele der Bundesregierung erkauft. Für den Bund als größten Anteilseigner der Telekom ist allerdings auch klar: Hier wird auf mehr Dividendenausschüttung gehofft.
Darunter leiden werden die Startups, der Mittelstand und die Nutzer. Die Telekommunikationskonzerne hingegen bekommen eine neue Möglichkeit, Erlöse zu erzielen, ohne dass sie neue Geschäftsfelder erschließen oder gar innovativer werden müssen.
Diese Woche war eine schwarze Woche für das Internet in Europa. Das wirtschaftliche Wachstum der digitalen Wirtschaft wurde durch diese einseitige Bevorzugung der Telekommunikationskonzerne nachhaltig beschränkt.
ist freier Berater, Autor und Blogger. Er ist Mitglied im Gesprächskreis Netzpolitik des SPD-Parteivorstands und Co-Vorsitzender des Vereins D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt.