Inland

Nazis raus aus den sozialen Netzwerken

von Eric Gutglück · 12. August 2014
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Jugendliche stoßen beim Surfen in den sozialen Netzwerken vermehrt auf getarnte oder offene Propaganda von Neonazis. Mit der Problematik setzt sich der Jahresbericht des Projekts „Rechtsextremismus Online“ auseinander.

Unverhohlene Hetze gegen Juden, Muslime, Sinti und Roma, Asylbewerber. Jagd auf Homosexuelle, die perfiderweise mit Pädophilen gleichgesetzt werden. Neonazis nutzen zunehmend die sozialen Netzwerke zur Verbreitung ihrer rassistischen Propaganda. Diese sind von ihnen längst zur bevorzugten Rekrutierungsplattform für Jugendliche geworden, die dort ohnehin permanent unterwegs sind. Knapp 98 Prozent der Jugendlichen nutzen das Internet und hauptsächlich Facebook, Twitter und YouTube. Dabei werden sie regelmäßig mit rechtsextremistischer Propaganda mehr oder weniger konfrontiert.

Die Initiative jugendschutz.net lud am heutigen Dienstag zur Pressekonferenz anlässlich des Jahresberichtes des Projekts „Rechtsextremismus Online“. Das Internet und speziell die sozialen Netzwerke seien ideal, um rechte Propaganda durch Liken und Teilen schneeballartig rasant zu verbreiten, sagte Stefan Glaser von jugendschutz.net.

Getarnter Rassismus

Laut Glaser seien rund 70 Prozent ihrer 5500 Sichtungen von rechtsextremen Inhalten im Social Web zu verzeichnen. Die Zahl der Volksverhetzungen im Netz habe sich mittlerweile verdoppelt. Dabei würden die entsprechenden Einträge durch ihre „moderne, poppige und fetzige“ Aufmachung speziell junge Menschen als Zielgruppe ansprechen, so Glaser. Oftmals seien die Inhalte provokant emotionalisierend und ihr rassistischer Ursprung vom User schwer zu enttarnen. So prangern beispielsweise solche Postings Kinderschänder an, Menschen teilen es oder geben ein „Gefällt-mir“, weil sie es für moralisch richtig halten. Dadurch werde aber ein rechtsextremer Urheber im Netzwerk verbreitet und indirekt beworben.

Stefan Glaser betonte zudem, man stünde bereits in Kontakt mit den Webprovidern, anstößige Inhalte zu entfernen oder zumindest für deutsche User sperren zu lassen. Allerdings würden die Neonazis vermehrt ausländische Netzwerke wie das russische Facebook-Pendant VK nutzen. Hier haben sie (noch) keine Konsequenzen seitens der Betreiber zu befürchten. Im Jahr 2013 fanden sich fast 93 Prozent der 3879 von jugendschutz.net gesichteten Social-Web-Beiträge im Ausland, rund 86 Prozent davon auf Facebook, Twitter oder YouTube.

Längst nicht mehr Glatze und Springerstiefel

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) unterstrich, dass die Rechtsextremen längst nicht mehr an „Glatze und Springerstiefeln“ zu erkennen seien, sondern sich der Tarnung durch die moderne Welt des Internets bedienten. Es bedürfe hier politischen Willens, finanzieller Unterstützung und vor allem Menschen, die sich gegen Neonazis engagieren. Jeder könne im Netz couragiert handeln, rechtsextreme Inhalte melden und so das Verbreiten von rassistischem Gedankengut unterbinden. „Einfaches ‚Wegklicken’ hilft da nicht“, so Schwesig. Sie verwies auch auf das neue fünfjährige Bundesprogramm zur Förderung der Kampagnen gegen Rechtsextremismus.

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, bezeichnete das Internet als „Teil der Realität“ und verwies auf die logistischen Möglichkeiten, die das Netz auch rechtsextremen Gruppierungen eröffnet. Deshalb sollten wehrhafte Bürger nicht nur Gegendemonstrationen auf der Straße organisieren, sondern sich auch online gegen rechtes Gedankengut wehren. In diesem Zusammenhang seien starke und wehrhafte Communities gefragt, die sich rechten Inhalten im Netz entgegenstellen. Man dürfe sich keinesfalls vor der Auseinandersetzung mit rechtsextremer Propaganda scheuen, appellierte Krüger.

Autor*in
Eric Gutglück

studiert Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Er war Praktikant beim vorwärts.

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