Inland

Naturschutz in Grenzen

von Anina Kühner · 14. September 2012

Dass in der DDR Umweltpolitik eine Rolle spielte, erscheint kaum vorstellbar. Christian Möller, Stipendiat der „Johannes-Rau-Stiftung“ forscht für seine Promotion zu diesem Thema- mit erstaunlichen Erkenntnissen.

„Ökonomie und Ökologie widersprechen einander nicht – sie gehören zusammen“, hat Johannes Rau einmal gesagt. Dass Christian Möller, Promotionsstudent an der Universität Bielefeld, das diesjährige Stipendium der „Johhanes-Rau-Stiftung“ erhalten hat, kann also kaum überraschen: Er setzt sich mit der bislang weitgehend unerforschten Umweltpolitik in der DDR auseinander. 

Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Verantwortung für die Zukunft“ im Willy-Brandt-Haus Berlin stellte Möller am Donnerstag seine Arbeit vor und beantwortete anschließend Fragen aus dem Publikum. Die Veranstaltungsreihe soll Themen aufgreifen, in deren Sinn sich der 2006 verstorbene SPD-Bundespräsident Johannes Rau engagiert hat.           

Politisches und ziviles Engagement

Denkt man an Umweltpolitik im Zusammenhang mit der DDR, fallen einem zuerst die schweren Verschmutzungen ein, die nach der Wende zutage traten. Mit Quecksilber verseuchte Seen, Kontamination durch Braunkohleabbau und Chemieindustrie sind die ersten Assoziationen.

Im Laufe seiner Forschungen aber stieß Möller auf einen merkwürdigen Widerspruch zu diesen Bildern: Bereits in den sechziger Jahren finden sich in der Verfassung und auf ziviler Ebene in der DDR Hinweise auf ein hohes Interesse an Naturschutz. So wurde bereits 1972 das Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft gegründet. 

„Man muss die Rahmenbedingungen betrachten, unter denen Umweltschutz stattfindet“, stellte Möller klar. Die schwierige ökonomische Situation habe die Entwicklung des Naturschutzes behindert und in Teilen gestoppt. Dennoch habe es exemplarische Projekte gegeben, erklärte er. So sei die Effizienz des Recyclings in der DDR noch nach der Wiedervereinigung von Westdeutschland zum Vorbild genommen worden. Auch der Lärmschutz habe in den politischen Entscheidungen der DDR eine große Rolle gespielt, berichtete Möller.

Stille Umweltbewegung

„Weil der Fokus auf Bürgerrechtsgruppen liegt, ist in der Forschung leider wenig über Umweltaktivisten in der DDR bekannt“, erklärte er. Dabei habe es durchaus ein breites ziviles Engagement für Naturschutz gegeben. So sei er etwa im Verlauf seiner Forschungen auf zahlreiche Eingaben von Bürgern beim Staatsapparat gestoßen, berichtete Möller. Darin hätten sich Einzelpersonen und Initiativen beispielsweise über Wasserverschmutzungen auf Privatgrundstücken oder über Luftverunreinigung beschwert. „Man könnte von einer stillen Umweltbewegung sprechen“, fasste er seine Erkenntnisse zusammen.

Ihm zufolge haben auch die Kirchen für die Naturschutzbewegung der DDR eine wichtige Funktion eingenommen. So hätten Umweltbibliotheken in Kirchenräumen, wie sie etwa in Berlin gegründet worden seien, den Zugang zu umweltpolitischen Zeitschriften und Büchern ermöglicht. „Was fehlte, war unter dem SED-Regime die Möglichkeit einer offenen Debatte über Naturschutzfragen“, erklärte Möller.

Autor*in
Avatar
Anina Kühner

studiert Germanistik und Buchwissenschaften in Mainz. Im Sommer 2012 absolvierte sie ein Praktikum beim vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare