Nachgerechnet: So profitieren Verbraucher*innen von der Gaspreisbremse
IMAGO/Christian Ohde
Das Werk ist fast fertig. Die Regierung hat den Vorschlag der Gaspreiskommission auf den Weg durch den Bundestag gebracht. Es war zeitweise holprig und es ist spät, aber die Gaspreisbremse kommt. Damit zeichnet sich nun am Horizont eines bislang unbekannten Terrains ab, wie insbesondere all jene Haushalte, die mit teurem Gas heizen, finanziell durch den Winter kommen können.
In einem ersten bereits beschlossenen Schritt, brauchen alle Gaskund*innen im Dezember keine Abschlagszahlung zu leisten. Das kann mehrere hundert Euro unmittelbare Entlastung kurz vor Weihnachten ausmachen. Die Bundesregierung übernimmt den Betrag.
Wie die helfenden Hand bei einem Gewichtheber
Der zweite Schritt kommt spätestens im März und sogar früher, wenn es nach dem Willen der Bundesregierung und nicht dem der Versorger geht. Dann wird die Gaspreisbremse installiert. Sie wirkt wie die helfenden Hand bei einem Gewichtheber, der ein für ihn zu hohes Gewicht stemmen will. Die helfende Hand ist die Bundesregierung. Alle Gasverbraucher*innen erhalten auf ihre Rechnung einen Bonus. Dieser wird von den Kosten des tatsächlichen Verbrauchs abgezogen.
Bis 2024 erhalten alle Gasverbraucher*innen monatlich eine Gutschrift auf dem Konto ihre Versorgers. Diese Gutschrift basiert auf den bisherigen Abschlagszahlungen. Der Betrag entspricht der Differenz zwischen dem Preis, der zu diesem Zeitpunkt am Markt für die Kilowattstunde Gas verlangt wird, und dem Preis, auf den der Preis heruntergedrückt werden soll, das sind 12 Cent. Dies gilt allerdings nur für 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs, um einen starken Anreiz zum Sparen zu setzen.
Unter derzeitigen Bedingungen, bei denen der Marktpreis rund 20 Cent beträgt und jemand 1000 KwH im Durchschnitt pro Monat verbraucht, hieße dies, der Haushalt bekommt 64 Euro pro Monat gut geschrieben. Dies ergibt sich aus 80 Prozent des Verbrauchs (80 KwH) mal der Differenz von 8 Cent zum Marktpreis (0,20 Euro minus 0,12 Euro). Bei einem höheren Marktpreis steigt der Betrag entsprechend. Dieser bleibt im übrigen unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch des Haushalts.
Der Anreiz zu sparen, ist hoch
Was bedeutet das für die Rechnung? Bei unverändertem Verbrauch würde man unter diesen Bedingungen bei der Jahresabrechnung 200 Euro im Monat für Gas zu zahlen haben. Mit der Gutschrift, die verrechnet wird, sind es dann „nur“ noch 136 Euro (200 Euro minus 64 Euro). Schafft man es, seinen Verbrauch um 20 Prozent zu reduzieren, wie es insgesamt notwendig sein dürfte, um ohne russisches Gas über den Winter zu kommen, würde sich der Betrag sogar auf 96 Euro (160 Euro minus 64 Euro) vermindern. Das ist eine spürbare Entlastung, aber immer noch erheblich mehr als vor der Krise. Damals hätte man bei einem Preis von 6 Cent bei gleichem Verbrauch nur 60 Euro bezahlt. Der Anreiz zu sparen, ist also hoch.
Diese Rechnung zeigt, wie massiv die Belastungen sind, aber auch wie gleichermaßen heftig die Regierung versucht, diese Belastungen spürbar zu mildern, indem sie einen Teil der Gas-Rechnung über die Gutschrift übernimmt. In ähnlicher Weise dürfte auch die ebenfalls nun in Arbeit befindliche Strompreisbremse funktionieren. Nur werden die Gutschriften dort durch die abgeschöpften Zufallsgewinne der Atomanbieter finanziert.
Immer wieder wird die Frage gestellt, ob dies alles nicht hätte schneller kommen und gerechter hätte sein können. Man sollte trotz dieser berechtigten Frage nicht vergessen, dass die jüngsten Krisen wie die Corona-Pandemie und auch der Krieg in der Ukraine unsere Wirtschaft und Gesellschaft auf ein völlig unbekanntes Terrain geführt haben. Es gab und gibt keine Präzedenzfälle für diese Art von Krisen. Deshalb waren bislang auch keine Instrumente verfügbar. So sind die Ideen zu den Preisbremsen nicht einmal ein Jahr alt und mussten sich erst in Fach- und dann in politischen Diskursen durchsetzen. Das kostet Zeit und erklärt, warum erst jetzt die Entscheidungen fallen.
Was noch fehlt
So wie sie derzeit diskutiert wird, bevorteilt die Gaspreisbremse eindeutig Haushalte mit hohem Einkommen und bislang hohem Gasverbrauch, die leicht Gas einsparen können. Sie benachteiligt hingegen jene, die aufgrund eines niedrigen Einkommens schon vor Krise sparen mussten und über nur geringe weitere Einsparpotenziale verfügen. Der unbeheizte Pool ist leichter zu ertragen als ein unbeheiztes Zimmer. Es fehlt ein Mechanismus, mit dem man zielgenau einkommensschwache Haushalte entlasten könnte. Dieser sollte schnellstmöglich vom Bundesfinanzministerium entwickelt werden. Bis es soweit ist, könnte z. B. wie vom IMK vorgeschlagen eine Obergrenze der Entlastung hilfreich sein.
Der Weg zur Entlastung führt zwar in bislang unbekanntes Terrain mit vielen Unsicherheiten und Unvollkommenheiten. Aber es zeichnet sich mehr und mehr ab, dass wir mit einer helfenden Hand trotzdem gut durch den Winter kommen werden.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Horn ist Mitglied im SPD-Parteivorstand.